Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 13. 11. 1889
Adressat: B. Schlesinger


Frankfurt, 13. Nov. 1889
Savignystraße 33, III

Lieber Herr Schlesinger!

Starbrillen brauche ich leider keine, sintemal an dem rechten Auge alle Optik der Welt verloren ist. Dagegen hat mir Pagenstecher folgendes Rezept zu einer Lesebrille gegeben, das ich Ihnen beilege.

Nach wiederholten und sehr sorgfältigen Untersuchungen sagte mir Pagenstecher, mein Zustand sei eigentlich .kein Augen-, sondern ein Nervenleiden, und die Erblindung des rechten Auges rühre von einem langsamen, aber vollständigen Absterben des Sehnervs her, wobei die heftige Hirnerschütterung, die ich mir früher durch einen Sturz auf den Kopf zugezogen, wahrscheinlich nicht ohne Mitwirkung geblieben sei.

Dagegen sei das linke Auge in einem guten Zustande, der Sehnerv unversehrt, das Sehfeld groß und lückenlos und die Pupille von einer ungewöhnlichen Akkommodations-Fähigkeit. Die Erforderniß größerer Helle sei hier nur die Folge einer theilweisen Trübung der Linsen, wie sie sich bei alten Personen gewöhnlich mehr oder weniger einstellen und die nichts Bedenkliches habe. Die vermehrte Sehschwierigkeit in letzter Zeit habe ihre Ursache weder im Organismus des Auges noch in einer Erkrankung des Sehnervs, sondern in dem allgemeinen Nervenzustand, der ohnehin nicht normal und überdies in einem Zustand von Überreitzung oder Ermüdung sei, der sich durch Ruhe und Schonung wieder verliere. So wie die Sache jetzt stehe, sei ein Erblinden des linken Auges nicht zu befürchten.

So stehts: also nicht zum besten; aber die Sache hätte noch schlimmer ausfallen können, da mit den Nerven nicht zu spaßen und, wie Pagenstecher sagte, auch nicht viel anzufangen ist. Eigentlich bin ich froh, daß ich nicht zu R. ging, denn der hätte wahrscheinlich alle möglichen Medikationen mit mir angefangen, die doch nichts geholfen hätten; denn ein Mittel, eine derartige Nervendegeneration zu kuriren, ist noch nicht entdeckt.

An Theo. Diefenbach und «Borstadt1) habe ich ähnliche Briefe geschickt. Sonstigen Freunden bitte ich Sie, Auskunft zu geben, wenn sie fragen, da ich diese längeren Auseinandersetzungen nicht an alle Welt schreiben kann. Ich werde noch ein paar Wochen in Frankfurt bleiben und hoffe dann, nach längerer Ruhe wieder soweit auf dem Damm zu sein, um meine Publikationsarbeiten wieder aufnehmen zu können.

Indessen herzliche Grüße an Sie und die Ihrigen von
      Ihrem
             L. Pfau

wenn Sie etwa mit Königshufer auf die Sache zu sprechen kommen, so sagen Sie ihm gesprächsweise, ich hatte nicht den geringsten Zweifel in Beziehung auf seine Geschicklichkeit; aber da Pagenstecher sich in freundschaftlicher Weise angeboten habe – als Kunstfreund und in Anerkennung meiner Kunstschriften, so hätte ich natürlich keine Ursache gehabt, sein Anerbieten zurückzuweisen.

(((Anlage: ein Rezept)))

1 Pfaund Zucker in Würfeln
einige Teller
ein Besteck mit großem und kleinem Löffel
zwei Gläser
einen Topf Senf
eine Wasserflasche
einen kleinen Spiegel

Herr Schlesinger möchte so gut sein und für jemand sorgen, der mir Mittags um 12 Uhr im Hotel Silber das Essen holt. Es muß Schlag 12 Uhr geholt werden, ehe d. Table d'hte anfängt. Auch bitte ich, mir Obst zu besorgen: Trauben, Birnen und einige Zwetschgen, wenn es noch gibt. Aber nur  g u t e s  und  r e i f e s ;  lieber etwas mehr dafür bezahlen.

Mir auch für 2-3 Flaschen guten Rotwein sorgen bis der von mir bestellte ankommt.


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - Nr. 27.665 -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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