Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 3. 9. 1881
Adressat: Karl Mayer


Paris, den 3. Sept. 1881

Lieber Mayer!

Die zwei Artikel, die ich am 31. Aug. noch an Haußmanns Adresse, recommandirt, von hier absandte, wirst Du erhalten haben, ferner Nro. VIII, den ich heute abschickte. Ich dachte, Du könntest ihn immerhin einstweilen setzen lassen, wenn auch Nro. VII, der die ökonomische Frage enthält, noch aussteht, sowie der letzte Nro. IX, der mit der  F ö d e r a t i o n  anschließt. Dieselben werden alsbald nachrücken.

Ich habe heute auch an Haußmann nach Arbon geschrieben, um seine Censurwuth etwas abzukühlen, und will einige Vorstellungen, die ich ihm machte, auch Dir zu Gemüth führen.

Ich habe nämlich bei Abfassung der Schrift einen ganz andern Standpunkt eingenommen, als Ihr vorausgesetzt zu haben scheint, den Ihr aber acceptiren müßt, wenn Ihr nicht die Arbeit verderben wollt, ohne das daraus machen zu können, was Ihr im Sinne habt. Ich wollte keine obligate Wahlscharteke schreiben, nur für den augenblicklichen lokalen Zweck berechnet, sondern eine Art  v e r h ä l t n i ß m ä ß i g  populäre Doktrin der Demokratie, gestützt auf die Kritik ihrer Gegensätze, eine etwas methodischere Begründung unserer Politik, um der Partei ihr eigenes Wollen Sollen etwas klarer zu machen und ihr ein Werkzeug für ihre Diskussionen und Kämpfe zu liefern. Die Wahl betrachtete ich mehr als Gelegenheit
denn als Ziel, obwohl die eingehende Kritik der Bismarck'schen Politik, welche die Schrift enthält, nicht ohne Werth für den Wahlakt selber sein könnte; und ich der Meinung war, daß die Verbreitung einer mehr prinzipiellen nicht nur für den Augenblick berechneten Arbeit ersprießlicher und nachhaltiger wirken müsse als ein gewöhnlicher Wahlaufruf, da es ohnehin an solchen nicht fehlen wird. Dieselbe ist natürlich nicht für die Bauern berechnet, sondern für den etwas vorgeschrittenern und denkenderen Theil des freisinnigen Bürgerthums, der ja doch schließlich den Kern der Partei bildet. Der Bauer kauft ja ohnehin keine Broschüren.

Die Arbeit ist, wenn auch in Abschnitte getheilt, doch als zusammenhängendes Ganzes zu betrachten, und so ist auch Nro. I weniger für sich selber ((denn)) als grundlegender Theil für die übrigen geschrieben. Er ist als solcher nothwendig, und ich bin durchaus nicht damit einverstanden, daß er, wie Haußmann im Sinn zu haben scheint, etwas "wahlschriftlicher" hergerichtet werde. Es liegt mir darin durchaus nicht ein direkter Angriff auf die Kirche im Sinn, als vielmehr eine klare Darlegung des Gegensatzes zwischen den beiden  Weltanschauungen, und ich möchte nicht, daß diese der Rücksicht auf die schwarze Bande, mit der man ja doch nur angeführt ist, geopfert werde. Ich habe bereits in der Correctur
alles Direkte entfernt und im übrigen ja schon hundertmal stärkere Dinge über diese Materie in den 'Beobachter' geschrieben als die vorliegenden. Die Broschüre selber könnt Ihr ja den
allzuschwarzen Bezirken vorenthalten, wenn Ihr das für ersprießlich erachtet.

Die Schrift hat einmal diesen bestimmten Charakter, den man ihr lassen muß. Veränderungen, welche durch die Preßverhältnisse bedingt sind, oder einige Milderungen Preußen gegenüber, wo das nothwendig erscheint ect., sind ja dadurch nicht ausgeschlossen. Aber geht sacht zu Werke, denn es ist nicht erfreulich, wenn man eine solche Scharteke nicht ohne Mühe und Sorgfalt zusammengenäht hat, und trennt einem die Nähte wieder auf.

Eine Correctur-Correspondenz ist der Zeitkürze wegen unthunlich; immerhin aber könntet Ihr mir die Fahnen mit Euren Correcturen schicken statt vorher, so könnte ich wenigstens meine Gegenvorschläge an den Rand notiren, Euch die schließliche Entscheidung überlassend.

Auch könntest Du so gut sein und mir die Fahnen  d o p p e l t  schicken, also mit der corrigirten eine jungfräuliche, so daß ich wenigstens meine Arbeit unvermöbelt habe. Laß mir zu diesem Ende auch die ersten Nummern noch einmal abziehen und schicken.

Also machs gnädig mit dem Knaben Absalon!

Beste Grüße von Deinem
L. Pfau

Grüße auch Diefenbach, ich werde ihm nächster Tage schreiben. Soll ich die Sendungen an Dich oder an die Redaktion des 'Beobachters' schicken?


Stadtarchiv Stuttgart
NL Haußmann Nr. 42/27
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


Erläuterungen:


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