Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 24. 2. 1894
Adressat: Ida Schlesinger


Stuttgart 24. Febr. 1894

Lieber Racker!

Dein 'Protege' ((Giosch)) kann mir eigentlich gestohlen werden. Ebers wird ohnehin genug und mehr, als ihm lieb ist, von solch neugierigen Bummlern, die eigentlich nichts bei ihm zu schaffen haben, überlaufen, so daß man ihm einen schlechten Gefallen mit solchen Einführungs((karten)) erweist. Daß Du erst Ende nächsten Monats nach Stuttgart zurückkehren wirst, habe ich bereits erfahren, und es will mir scheinen, daß dort irgendwas in der Stille gebraut wird, wenn auch nicht mit einem 'Vetter'. Daß der Herr ((Payer oder Page oder Papa)) sich so willfährig erweist, ist mir etwas verdächtig, - obwohl ich Dir die verlängerte Vacanz von Herzen gönne.

Daß Deine körperliche Geschmeidigkeit dort zunimmt, freut mich, und wenn Du dort von Deiner geistigen Ungeschmeidigkeit etwas dafür zurücklassen würdest, so wäre der Gewinn ein doppelter. Aus der Dominopartie des letzten Montags ist nichts geworden, woran freilich weniger Deine Abwesenheit als die Diefenbachs, der sich unwohl fühlte, schuldig ist.

Gegenwärtig ist wieder ein Damenbazar im Königsbau los zu irgend einem 'edlen Zweck'. Ich war aber noch nicht dort, denn es ist die reinst/e/ Räuberhöhle, die um so gefährlicher ist, als die Räuber aus hübschen Damen bestehen, und zwar in italienischen Kostümen. Es ist schade, daß Du nicht hier bist, Du hättest eine hübsche Venetianerin abgegeben, und die Leute an der Nase herumzuführen, hättest Du nicht erst im Bazar zu lernen brauchen.

Ich bin in der letzten Zeit wenig ausgegangen und daher auch nicht viel in den Laden gekommen. Zudem war ich, trotz des kalten Winters, in dieser Woche in Heilbronn wegen des neu zu erbauenden Kirch((brunnens)). Du siehst also, daß Deine eifersüchtigen Befürchtungen ganz grundlos sind. Zudem habe ich an den mit Dir gemachten Erfahrungen ((mein vollgestrichenes Maß, das zu keiner Verwahrung neigt)).

Marie läßt Dich grüßen und Dir sagen, Du möchtest den Auftrag nur ausführen. Du lebst ja in Frankfurt wie Eva im Paradies - vor dem Apfelbiß natürlich. Aber ich meine immer, ich sehe in dieser Gegend hinter irgend einem großen Feigenbusch auch einen apfelhungrigen Adam herumlungern. Mach einmal die Augen ordentlich auf, vielleicht siehst Du ihn auch; Du brauchst ja glücklicher Weise noch keine Brille dazu. Jedenfalls hoffe ich, daß Du von Deinem in Frankfurt gesammelten guten Humor auch etwas nach Stuttgart mitbringst, in welcher Hoffnung Dich herzlich grüßt

           Dein L. Pfau


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - Nr. 27.121 -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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