Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 14. 4. 1892
Adressat: Ida Schlesinger


San Remo 14. April 1892

Lieber kleiner Racker!

Durch den 'Beobachter' wirst Du bereits erfahren haben, daß ich mich wieder in San Remo befinde und dort bleiben werde bis zu meiner Rückkehr nach Stuttgart, wo ich in der ersten Woche Mai's zu sein gedenke. Hier bin ich noch nicht aus dem Garten der Villa Flora hinausgekommen, der recht schön ist; denn es war in den letzten Tag/en/ wieder kühl und windig hier. Eure warme Temperatur wird wohl in den letzten Tagen auch in Stuttgart eine Abkühlung erfahren haben.

Hoffentlich sind jetzt die Aquarelle Steiners bei Euch angekommen. Ich habe dieselben in Menton noch selber ausgesucht, ungefähr so viele, daß man den ganzen Raum damit füllen kann. Ich dachte, der Racker wird natürlich wieder brummen wegen all der Arbeit des Ordnens und Aufhängens, die man ihm da über den Hals schickt; aber als Tochter eines Kunsthändlers wirst Du hoffentlich so viel Interesse für diesen schönen Beruf haben, daß es Dich auch freut, wenn Du dem 'verehrungswürdigen' Publikum etwas Hübsches zeigen kannst.

Was das Aufstellen betrifft, bist Du wohl selbst so gescheit, es nicht zu machen. Eine Anzahl der Bilder sind für die Glaskästen bestimmt; darunter sind mehrere Studien, die nicht aufgezogen sind und auf weiße Unterlage befestigt werden müssen. Eine Anzahl größerer Bilder ist eingerahmt und findet über den Glaskästen Platz. Suche das Ganze etwas gleichmäßig und symmetrisch anzuordnen.

Ich freue mich, bis ich wieder in Stuttgart bin; denn ich habe das 'schöne' Italien gründlich satt; und zu den erfreulichen Erwartungen gehört auch die Aussicht, bald wieder in der Kunstbude in der Königstraße am Tischeck zu sitzen, Dein holdes Antlitz mir gegenüber, das mir hoffentlich mit der alten Freundlichkeit zulächeln wird. Mit meinem Befinden geht es seit dem Eintritt der besseren Jahreszeit auch wieder besser. Auch mein Husten ist auf ein Minimum reduziert und wird hoffentlich nicht mehr rückfällig.

Mit Bedauern vernehme ich, armes Racker, daß Du ·schon wieder Trauer erhalten hast; empfange mein aufrichtiges Beileid, dazu die für ein Mädchenherz immerhin lindernde Bemerkung, daß Dir Schmerz gar nicht übel steht.

Deinem Wunsche gemäß schicke ich Dir diesen (( ... ))brief durch Fräulein Klara, die ich von mir zu grüßen bitte, dazu, wie sich von selbst versteht, die herzlichsten Grüße von

Deinem alten Freund
          L.  P.


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - Nr. 27.119 -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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