Gemmingen-Hornberg, Otto Heinrich von (1755 Heilbronn - 1836 Heidelberg)

Brief an den Vater, 30. März 1777


(Generallandesarchiv Karlsruhe, Signatur: A 270. Aus: Solly, S. 24-26)


Manheim den 30 Merz 1777

Liebster Herr Vatter

Nach der ersten feyerlichen Stille, die vorige Woche hindurch hier geherscht hat, seye dieses die erste heitre Unterredung, die ich wieder halte. Ich habe die verstrichne acht Täge verschiednen zurukgeblie-benen Geschaeften gewiedmet, und mich zu meiner zu-künftigen Bestimmung vorbereitet; ausserdem aber mit meinen Catholischen Mitbrüdern den Gottesdienst be-sucht. Ich kan es nicht genug ausdrüken wie erbaulich und mit wie vielem Anstand diese Woche hier gefeyert wird. Die allgemeine Stille, alles aeusserliche, die schwarzbehenkte Kirche, die allgemein schwarze Klei-dung, alles dieses macht einen so feyerlichen rühren-den Anblick, dass ich mich wenigstens nie andächtiger gefunden habe, nie zubereiteter ware, zu der heiligen Ceremonie die ich heute oeffentlich mit meinen Luthrischen Glaubensgenossen vorgenommen habe. Einen recht vernünftigen Geistlichen habe ich in der Beichte gefunden, denn diese habe ich besonders für mich gehalten.

Ich habe Ihnen von zukünftigen Geschäfften gesprochen, diese sind, eine genaue Aufsicht auf die neue deutsche Bühne, auf die Güte und Moralitaet der Stücke, auf die Acteurs selber, und Überhaupt was dahin einschlägt. Dann ist mir vom Churfürsten die Sorge für die Erziehung und Schulanstalten aufgetragen worden; und dessen freue ich mich recht sehr, ich habe hierzu immer einen innren Hang gehabt, und ich hoffe zu-versilchtlich, dass ich dadurch noch werde die Jahre die ich zu leben habe, nicht unnüze für meine mit lebende zubringen. Schwan, Abbé Haeflin sind mir bis jezt zugegeben worden, zu denen noch Herr Mieg kommen wird, ein herrlicher Mann, der Redlichkeit, Wissenschaft und Entschloßenheit genug hat um ein wichtiges Geschaefte auszuführen.

Mein Leben ist mir jezt noch so lieb, und ich geize mit der Zeit, um keine unnüze Stunde in die Rech-nung meines Tages bringen zu dürfen. Deswegen bin ich doch meiner Hofkammer getreu, aber das ist nur ein Stein den man fortwälzen darff ohne gerade lange zu untersuchen, und den andre ebenso weggeschoben hätten. Hier schliesse ich Ihnen die Abschrift eines Briefes bey, der von Paris hieher geschikt worden ist. Die Satyre ist beissend, und in meinen Gedanken sehr wizig; Ich hoffe si wird Ihnen Vergnügen machen. - Sie werden es gleich errathen dass es der Landgraf von Kassel seyn soll.

Der Graff Bassenheim ist hier, und hat mir aufgetra-gen, Ihnen ausser den gewoehnlichen Hoefflichkeits Versicherungen, die Reise nach.Wezlar für künftigen Sommer wieder ins Gedächtniss zurück zu rufen. Eine besondre Seuche herscht hier und fast an allen Gegenden das Rheins; man bekommt den untren Theil des Gesicht geschwollen, womit viel Fieber ver-bunden ist, und nach acht Tagen zieht diese Geschwulst in die männliche Theile, das Fieber nimmt zu, und man steht erst nach vierzehn Tagen matt und entkraeftet wieder vom Krankenbette auf. Noch bin ich davon be-freyet.

Lesen Sie, ich bitte Ihnen, Siegwart , eine Klostergeschichte, in II. Th. ich -bin fast Bürge dafür, dass es Ihnen gefallen wird, und zugleich eine angenehme Unterhaltung für unsre kleine Freundinn seyn, - Sie wird mir den.Ausdruck verzeyen.

Da war ein Mann bey mir Balthasar Hölzler von Offenau der eine Klage wieder den Verwalter Nollenberger hat. Ich weiss nicht ob er recht oder unrecht hat, ohnerachtet er mir ein langes Species facti gegeben hat. Das habe ich aber wohl gesehen dass der Mann ein Schlacht Opfer der Advocaten ware. - Wenn er auch recht hat, so werden sie ihm vermuthlich nicht helfen können; aber empfehlen muste ich ihn doch, das bin ich seinem grauen Haar schuldig.

Wie geht es denn mit der Sache des alten Meyers von Treschklingen; es ist mir ein unausthenlicher Gedanke dass dieser junge Mensch soll verlohren seyn, und überhaupt wird die Sache für die ganze Nachbarschafft zu wichtig, allenfalls wolte ich unsren Gesandten, Herrn Schlipp schreiben. Man könte uberhaupt eine hiesige Sache daraus machen. Ich habe sichre Spuren, dass man von Neuhaus Pfälzer Unterthanen angegriffen hat, und wenn das kan bestärckt werden; es wird den Herrn von Degenfeld reuen.

Leben Sie wohl lieber Vatter, lieben Sie Ihren Sohn Heinrich.