Ludwig Pfau (1821-1894)

Prolog

zu Bekränzung der Dichterbüste beim Pariser Schiller-Fest am 10. November 1859.

Wie Nachtigallen, wenn der Lenz erstanden,
Von Hag zu Hag sich grüßen mit Gesang,
Von Stadt zu Städten so, von Land zu Landen,
Tönt Dichterruf und wandert Jubelklang.
Die Freude rauscht in festlichen Gewanden,
Die Menge wogt in ernstem Liebesdrang –
Und andachtatmend lauscht sie still und stiller:
Ein Name schallt und füllt den Erdkreis – Schiller!

Du bist's! wir spüren deines Geistes Walten,
Des Aars, der immer stieg und nimmer fiel.
Das Teuerste, was wir im Herzen halten,
Du gabst ihm Form und Bild in Wort und Spiel,
Sie kommen, deine mächtigen Gestalten,
Gewaltig strebend nach erhabnem Ziel –
Dein Held erkämpft die höchste Würde allen:
»Der Purpur fällt«, nun muß der Herzog fallen.

Dein »Räuber« selbst, er träumt von Menschenrechten
Und bricht, ein Retter, in die Kerker ein;
Im Kampfe mit des Herzens dunkeln Mächten,
Erringt Maria ihren Heiligenschein;
Das Schicksal fragend in gestirnten Nächten,
Nach einer Krone greift dein Wallenstein –
Und fällt er auch dem rächenden Geschicke,
»Des ganzen Heil«, es schwebt vor seinem Blicke.

Dein Posa rechtet mit des Geistes Schergen,
»Gedankenfreiheit!« ruft's im Königsschloß;
Die Hirtin steigt begeistert von den Bergen
Und stürzt sich, rettend, in der Feinde Troß;
Mit letzter Kraft hast du dem kühnen Fergen
Beflügelt sein befreiend Pfeilgeschoß –
Dein Tell ist sichern Schwungs ans Land gesprungen,
Dich aber hat die Todesflut verschlungen.

So nimm des Lorbeers dunkles Laubgebände!
Ach! war dir doch kein Rosenkranz beschert;
Du hohe Stirne, nimm die höchste Spende!
Mehr als die Kronen aller Kaiser wert.
Wo sind die Helden, deren blut'ge Hände
Des Ruhmes Schatz geplündert und geleert? –
Erobrer, so die halbe Welt besessen,
Und Götter sind begraben und vergessen.

Doch wie ein Sonnenstern in Äthers Weiten –
Der, ob er längst erlosch am Firmament,
Fortwirkend Feuer sendet durch die Zeiten
Und noch Jahrtausende im Raume brennt –
So darfst du dein unsterblich Licht verbreiten,
Du großer Toter, den der Tod nicht kennt –
Und leuchtend wandeln durch die Weltgeschichte
Im Strahlenkranz fortzündender Gedichte.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 407-408 .
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