Ludwig Pfau (1821-1894)

Höchstes Gebet.

Wie lieblich ist's! wenn strebende Gedanken
Wie Frühlingsweihrauch aus der Seele steigen,
Die rege Blumen, welche mit den Zweigen
Lichtdurstig in des Himmels Klarheit ranken.

Wie traurig ist's! wenn Gier und Wahn sich zanken,
So daß der Wahrheit reine Lippen schweigen;
Wenn all die Triebe, all die Niedern, feigen,
Im Staub der Erde lichtverdrossen schwanken.

Ein solcher Busen ist ein schlimmer Garten,
Auf den der Weltgeist seinen Segen gießet,
Und der nur Dornen trägt in allen Beeten.

Wie lange soll der treue Gärtner warten,
Bis aus dem Grund ein armes Blümlein sprießet?
Das freie Denken ist das höchste Beten.

Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 271.
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