Ludwig Pfau (1821-1894)

Huß.

Als der Huß, der brave Böhme, mußt' zum Scheiterhaufen gehen,
Liefen alle guten Christen, wollten ihn verbrennen sehen;
Alle frommen Pfaffen liefen, quälten ihn auf letztem Gange –
Aber Huß bestieg die Scheiter festen Schrittes mit Gesange.

Noch einmal der großen, klaren Welt sah er ins Angesichte,
Labte noch die kerkermüden Augen an dem heil'gen Lichte.
Als er sah ins Ewighelle, schon umzuckt vom roten Strahle,
Brach aus ihm des Strebens Flamme also noch zum letztenmale:

»Muß dies Herz in Asche sinken, trieb es tausend junge Ranken;
Mag dies Hirn im Wind verlodern, nicht verbrennen die Gedanken!
Wenn ihr das Gesäß zerschlagen, wird der Geist von dannen sausen,
Fessellos auf Flammenzungen durch die Welt im Sturme brausen.

Meines Glaubens Asche in den Wind gestreut nach allen Enden,
Wird, ein Saatkorn, niederfallen, tausendfältig Keime senden.
Mögt ihr blinden Blender meine Lehre nur mit Feuer taufen!
Neuverjüngt, ein Phönix, steigt die Wahrheit aus dem Scheiterhaufen.

Eine Gans wohl mögt ihr braten, die euch heut' ins Netz gegangen,
Doch ein Schwan in hundert Jahren kommt, den werdet ihr nicht fangen.
Der wird in gewalt'gen Tönen euer Schwanenlied euch singen;
Und kein Kaiser wird es wagen, ihm zu rupfen seine Schwingen.«

Als die hundert Jahr' verflossen, kommt die Zeit mit mächt'gem Pralle,
Kommt der Schwan und beißt den Pfaffen kecklich ab die eine Kralle;
Hat die Welt schon halb gewonnen - wenn die Vogel sich besinnen,
Wird, will's Gott! ein Strauß jetzt kommen und uns noch den Rest gewinnen.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 243-244.
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