Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 30. 11. 1851
Adressat: Regierung des Kantons Bern


An die hohe Regierung des Kantons Bern.

Ich erlaube mir der verehrlichen Regierung des Kantons Bern das Missliche meiner Lage darzulegen und dieselbe um eine Toleranzbewilligung gegen Erlegung der gesetzlichen Kaution zu bitten.

Auf Grund einer Aufenthalts-Bewilligung von Luzern, wohin ich seiner Zeit durch den Bundesrath internirt worden war, hatte mir die Regierung von Bern die Erlaubnis ertheilt, mich in Bern aufzuhalten. Dieser Aufenthalt, der mir durch meine Studien und Privatverhältnisse geboten war, dauerte seit einem Jahre, als plötzlich die Luzerner Regierung, ohne mich zu benachrichtigen und ohne Gründe anzugeben, ihre Verantwortlichkeit zurückzog und ich in Folge dessen genöthigt wurde, Bern in kürzester Frist zu verlassen. Kaum in Murten angekommen, wurde ich auch hier von der Polizei ausgewiesen und bin nun mitten im Winter im eigentlichsten Sinne des Worts auf die Strasse gestellt. Nachdem ich mich nun 2 1/2 Jahre in der Schweiz und davon 1 Jahr in Bern ruhig und tadellos aufgehalten habe, und allen Anforderungen die ein Land an den Flüchtling, dem es Schutz gewährt, machen kann, auf das Strengste nachgekommen bin, soll ich plötzlich wie ein geheztes Wild von Kanton zu Kanton gejagt werden, jezt, wo die Auswanderung unmöglich geworden und das Ausland mehr denn je verschlossen ist. Diese unverdiente Grausamkeit gegen einen Menschen, der von einem Lande nichts als ein wenig Luft zum Athmen verlangt, ist so augenscheinlich, dass ich hoffen muss, eine verehrliche Regierung von Bern werde sich meiner annehmen. Sollte es mir auch gelingen irgendwo unbemerkt einige Zeit bleiben zu können,  so wäre dadurch meine Lage nicht viel gebessert, weil die Gründe, welche die Regierung von Bern schon einmal bewogen, mir Aufenthalt in ihrem Kanton zu gewähren, noch fortdauern. Da es für den rechtlosen Flüchtling in der Schweiz keine Centralbehörde mehr gibt, an die er sich wenden kann, so bitte ich die Regierung von Bern, diesen Akt der Gerechtigkeit und Humanität zu vollziehen und mir gegen Erlegung der gesetzlichen Kaution Aufenthalt zu gestatten. Noch ungewiss wohin ich mich von hier aus wenden werde, bitte ich eine Antwort Herrn Karl Mayer in Wabern zugehen zu lassen.

Hochachtungsvoll
LPfau
Murten den 30 Nov. 1851.


Historisches Institut der Universität Bern
Sign.: Flüchtlingsschrank, Slg. Näf
Original: Zentrales Staatsarchiv Potsdam
Sign.: NL Karl Mayer 90 Ma 3 P 12, Bl. 21
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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