Hauptkategorie: Ludwig Pfau

Ulrich Maier

Der Eulenspiegel, ein satirisches Wochenblatt aus dem Jahr 1848 im Deutsch- und Geschichtsunterricht

Unterrichtsmodell

(Erschienen als Ausgabe 2 der Ludwig Pfau Blätter, Heilbronn 1993)


Inhalt

Ludwig Pfau und die Gründung des "Eulenspiegel"

Ludwig Pfau, Philosoph, Dichter, Politiker und Kunstkritiker, ist eine kraftvolle, vielseitige Persönlichkeit. Um ihn in wenigen charakteristischen Umrissen vorzustellen, soll zunächst von seinem eigenhändigen Lebenslauf ausgegangen werden. Anschließend soll in Ergänzung dazu auf seine politische Rolle während der Frühgeschichte der württembergischen Demokratie eingegangen werden. Seiner Tätigkeit als Herausgeber des Eulenspiegel soll dann ein eigener Abschnitt gewidmet sein.

[Anfang des handgeschriebenen Lebenslaufes von Ludwig Pfau. Faksimile. Im letzten Satz erwähnt Pfau die Gründung des "Eulenspiegel". Das Original befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach.]

"Ich bin den 25. August 1821 zu Heilbronn geboren. Mein Vater war Kunstgärtner. Zum Studium der Theologie bestimmt, besuchte ich das Gymnasium meiner Vaterstadt. In Folge religiöser Zweifel und großer Vorliebe für die Beschäftigung mit der Natur trat ich jedoch in das Geschäft meines Vaters und im Frühjahr 1839 als Volontär in eine große Handelsgärtnerei bei Corbeilles oberhalb Paris. Unbefriedigt von dieser doch mehr materiellen Tätigkeit begab ich mich im folgenden Jahre nach Paris, wo ich mich mit dem Studium der französischen Sprache und Literatur, mit Zeichnen und Kunststudien beschäftigte. Im Frühjahr 1841 in die Heimat zurückgekehrt, studierte ich in Tübingen Philosophie, widmete mich fortan in Karlsruhe in Gesellschaft meines Freundes Hermann Kurz literarischen Arbeiten und veröffentlichte die erste Auflage meiner ,Gedichte` (Frankfurt 1847; 4. Auflage Stuttgart 1889). Ende 1847 gründete ich in Stuttgart ein illustriertes satirisches Wochenblatt - das erste politische Karikaturenblatt in Deutschland -, unter dem Titel ,Eulenspiegel`, welches durch die Volkserhebung von 1848 schnell Verbreitung gewann. Meine Beteiligung bei der Bewegung als Mitglied des württembergischen Landesausschusses nötigte mich nach Sprengung des Stuttgarter Rumpfparlaments zur Flucht in die Schweiz, um der Verhaftung und dem Hochverratsprozeß zu entgehen, bei welchem ich in contumaciam zu 21 Jahr Zuchthaus verurteilt wurde. Nachdem ich mich dritthalb Jahre in Zürich und Bern aufgehalten, ging ich im Frühjahr 1852 nach Paris, nahm meine Kunststudien wieder auf, beschäftigte mich, von der Weltausstellung 1855 angeregt, auch eingehend mit der gewerblichen Kunst und wurde Mitarbeiter des ,Temps` für die stilistische Sparte. Anfang der sechziger Jahre begab ich mich nach Antwerpen und Brüssel, schrieb eine größere Studie über die belgische Malerei für die ,Indépendance Belge`, besuchte 1862 die Londoner Weltausstellung, um für dasselbe Blatt einen ausführlichen Bericht über die gewerbliche Kunst zu erstatten, und gab eine ästhetische Schrift, Etudes sur l'Art (Paris 1862) heraus. Nach Verjährung meines Prozesses kehrte ich Ende 1863 nach Stuttgart zurück, redigierte dort, nach Wiederaufrichtung der demokratischen Partei, in Gemeinschaft mit meinen Freunden Karl Mayer und Julius Haußmann eine zeitlang den ,Beobachter`, begab mich Ende 1864 nach Augsburg, schrieb in der ,Allgemeinen Zeitung` eine Reihe ,Artistische Briefe`, für welche mir die Münchener Akademie ein Dankschreiben votierte und gab eine erweiterte deutsche Umarbeitung meiner französischen Kunstschrift in Begleitung anderer kritisch-ästhetischer Abhandlungen in einem Sammelband unter dem Titel ,Freie Studien` heraus (Stuttgart 1865/66). Abwechselnd in Paris und Stuttgart mich aufhaltend, und die Kunst- und Weltausstellungen besuchend schrieb ich neue ästhetisch-kritische Berichte in verschiedenen französischen und deutschen Zeitschriften, veröffentlichte ,Kunstgewerbliche Musterbilder aus der Wiener Weltausstellung` (Stuttgart 1874) und veranstaltete eine Gesamtausgabe meiner ästhetischen Schriften in 6 Bänden unter dem Titel ,Kunst und Kritik` (Stuttgart 1888), von welchen 4 erschienen sind: ,Malerei und Gemälde`, ,Bild und Bauwerke`, ,Freie Studien` (3. Auflage), ,Literarische und historische Skizzen` (2. Auflage). Im Druck begriffen sind ,Lichtbild und Kunstbild` und ,Ästhetik der gewerblichen Kunst`. Von Übersetzungen veröffentlichte ich: ,Fabeln nach Lachambeaudie` (erste Auflage Dessau 1856) und ,Bretonische Volkslieder`, gemeinschaftlich mit Moritz Hartmann, erste Auflage Köln 1859; beide wurden in der dritten Auflage der ,Gedichte` wieder abgedruckt und erschienen dann in einem besondern Bande unter dem Titel: ,Fabeln und Volkslieder` als dritte Auflage (Stuttgart 1866; 3. Auflage 1891) und die von mir zum Teil übersetzte, zum Teil redigierte Sammlung: ,Ausgewählte Werke von Erckmann-Chatrian` (12 Bände, Stuttgart 1882)."

Seine Tätigkeit als Kunstkritiker und Ästhet nimmt in Pfaus Lebenslauf auffallend breiten Raum ein. Sicher sah er selbst dort den Schwerpunkt seines Lebenswerkes. Demgegenüber überrascht, daß Pfau seine politische Rolle nur streift, sie gelegentlich in Nebensätzen erwähnt, ohne weiter darauf einzugehen, oder sogar unter den Tisch fallen läßt, wie seine aktive Teilnahme an der badischen Revolution 1849.

Läßt sich daraus der Schluß ziehen, Ludwig Pfau habe seine politische Vergangenheit verdrängen wollen? Erschien sie ihm am Ende seines Lebens nicht mehr als wesentlich? Folgende ergänzende Hinweise sollen diese Seite seines Lebens etwas erhellen und die genannten Fragen aufgreifen.

Der Achtundvierziger

Zu Beginn der Revolution war Pfau 26 Jahre alt. Wie er in seinem Lebenslauf erwähnt, hatte er gerade damit begonnen, den "Eulenspiegel" herauszugeben, der in aller Schärfe politische Mißstände der Wochen unmittelbar vor Ausbruch der Märzrevolution karikierte. Seit März 1848 bekam der "Eulenspiegel" durch die tagespolitische Entwicklung eine ungeahnte Funktion in der Öffentlichkeit.

Doch Pfau engagierte sich auch direkt im Revolutionsgeschehen, zunächst als Redner in den württembergischen Volksvereinen. Er forderte die Errichtung einer deutschen Republik. Mit Karl Mayer und Julius Haußmann gehörte er dem linken demokratischen Flügel an. Am 21. November 1848 hielt er in Heilbronn auf der Trauerkundgebung für den standrechtlich erschossenen Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche Robert Blum eine flammende Rede, in der er zum Sturz der Monarchien in Deutschland aufrief. Am 15. Mai 1849 wurde er Mitglied des württembergischen Landesausschusses, der Dachorganisation der württembergischen demokratischen Volksvereine. Als preußisches Militär begann, gegen die nach der Flucht des Großherzogs gewählte provisorische Regierung und die badischen Revolutionstruppen vorzurücken, schloß sich Pfau mit anderen württembergischen Demokraten dem Revolutionsheer an.

Zunächst beteiligte sich Pfau an Aktionen, die einen Volksaufstand in Württemberg auslösen sollten. Nachdem dies gescheitert war, kämpfte Pfau auf badischer Seite gegen die Preußen, die von Norden her rheinaufwärts marschierten und die Revolution in Baden schließlich niederwarfen. Mit den letzten geschlagenen Revolutionären gelangte Pfau am 12. Juli 1849 in die Schweiz und entging so der 1852 gegen ihn verhängten 21jährigen Zuchthausstrafe - einer der Höchststrafen, die gegen württembergische Achtundvierziger ausgesprochen wurde. Erst nach der Amnestie 1863 konnte Pfau aus dem Exil zurückkehren und betätigte sich sofort wieder aktiv in der Landespolitik.

Gründungsvater der Volkspartei

Ganz beiläufig notiert Pfau in seinem Lebenslauf, daß er bei der "Wiederaufrichtung der demokratischen Partei" beteiligt war und "eine zeitlang den Beobachter redigierte". Hinter dieser Formulierung verbirgt sich nichts anderes als die Gründung der württembergischen DVP, der Vorläuferorganisation der heutigen Landes-FDP. Nach der niedergeworfenen Revolution sammelten sich zunächst die Reste der Liberalen und Demokraten um Julius Hölder und bildeten die gemäßigte Fortschrittspartei. Nach der Rückkehr von Ludwig Pfau und Karl Mayer trennten sich die Demokraten vom Bündnis mit den Liberalen. Zusammen mit Julius Haußmann gründeten Pfau und Mayer 1864 die demokratische Volkspartei, die bald die stärkste oppositionelle Kraft in Württemberg wurde. Pfau galt als der Chefideologe der jungen Partei. Conrad Haußmann: "Wenn grundsätzliche Auseinandersetzungen kommen mußten, dann waren die Leitartikel von Pfau dasjenige, auf das man in ganz Württemberg gehorcht und gelauscht." In seinem Lebensbild über Pfau charakterisierte Theodor Heuss die Trias an der Spitze der württembergischen Demokraten folgendermaßen: "Diese drei Freunde bildeten ein Triumvirat, das dem politischen Leben ihrer Heimat den Stempel aufdrückt. Sie sind zunächst erfolgreich genug: der großdeutsche Gedanke findet bei ihnen die treulichste Pflege, und ihrer publizistischen und organisatorischen Lebendigkeit beugt sich eine zeitlang nicht nur die Wählerschaft, sondern auch die Regierung. Pfau hat die Programme, Wahlaufrufe, Wahlbroschüren, die grundsätzlichen Artikel geschrieben; er besaß die schärfste Dialektik." (Theodor Heuss, 1912, S. 8)

In einer späteren Biographie schreibt Heuss: "Seine Rolle ist die des geistigen Motors, des Generalstabschefs - er redet nicht, er geht nicht in die Kammer, er bleibt in gewisser Distanz zu den unmittelbaren Verantwortungen und auch seine Redaktionsleistung am ,Beobachter` mag neben der Mayers gering gewesen sein - aber er gibt die entscheidenden Formulierungen, die polemischen Kernpunkte." (Theodor Heuss, 1967, S. 153)

Der unbeugsame Demokrat

Anders als viele seiner ehemaligen Kampfgenossen der Revolutionszeit änderte Pfau seine Haltung zur Monarchie, zu Militarismus, aufkommendem Nationalismus und preußischer Hegemonie in Deutschland auch nicht nach der Reichsgründung 1871. Er blieb der erbitterte Gegner des "junkerlich-militärischen Geistes", den er in Bismarck verkörpert sah. Strikt verurteilte er den deutsch-französischen Krieg als barbarisch und trat für eine Verständigung beider Völker ein, wofür auch seine schriftstellerische Tätigkeit in beiden Sprachen, seine Übersetzungen aus dem Französischen, Zeugnis ablegen. Schonungslos griff Pfau immer wieder die preußische Regierung an, wenn er Freiheit und Recht gefährdet sah, und nahm dabei in Kauf, verklagt und in Prozesse verwickelt zu werden. Bisweilen schien er es sogar darauf angelegt zu haben, mit deutlichen Worten das politisch herrschende System zu provozieren, um eine breite Öffentlichkeit zu gewinnen. So schrieb er am 5. Juli in der Frankfurter Zeitung folgenden harschen Angriff auf die preußische Regierung: "Ist es nicht genug, daß uns das kulturschädliche preußische Regiment ökonomisch, moralisch und intellektuell zugrunderichtet, indem es die Gewalt an die Stelle des Rechts setzt und die soziale Freiheit, diese Grundbedingung jedes menschlichen Fortschritts, systematisch zu Tode hetzt - sollen wir uns auch noch ästhetisch von ihm ruinieren lassen?" (zit. n. Ullmann, S. 30)

Pfau kam wegen dieser scharfen Formulierung vor Gericht und wurde wegen Beleidigung der preußischen Regierung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Seine Verteidigungsrede vor Gericht war gespickt mit Angriffen auf seine politischen Gegner: "Das heutige Deutschland ist mit einem Worte nichts als ein vergrößertes Preußen [...] Wir wollen nicht unter dem Vorwand der Reichseinheit und allen Versprechungen zum Trotz unsere guten, durch eine lange, redliche Freiheitsarbeit erkämpften Gesetze gegen schlechte preußische vertauschen." (ebd.)

Pfau blieb mit Leib und Seele Demokrat und Föderalist. Die liberalen Errungenschaften der süddeutschen Staaten Baden und Württemberg sah er im neu gebildeten Bismarckstaat gefährdet. Pfau sprach damit vielen kritischen Zeitgenossen aus der Seele. Zeitungen in ganz Deutschland druckten die Rede ab, Kommentare sprachen von einer "Philippika gegen eben jenes Regiment", von "einem Wort der Befreiung", das "Tausende gedrückter Herzen von dem Alp erlöste". Verschiedene Male mußte sich Pfau noch vor Gericht verantworten; einmal, weil er Bismarck mit einem prügelnden Schulmeister verglichen hatte, der trotz "Haselstöcken" und "Karzer" keine Ordnung schaffen könnte; ein anderes Mal, weil er gegen den Württembergischen Staatsanzeiger polemisierte, als dieser ihm Franzosenfreundlichkeit vorgeworfen hatte. Pfau war sich dabei der Solidarität breiter Kreise sicher. Erich Weinstock, einer der ersten Biographen Pfaus aus neuerer Zeit, überliefert eine Anekdote, wie Pfau eine seiner Haftstrafen im heimatlichen Gefängnis zu Heilbronn absaß: "Es bleibt ihm erspart, Häftlingskleider zu tragen, auch das tägliche Wasser und Brot erläßt man ihm. Die Frauen der Stadt übernehmen seine Fürsorge, und seine Zelle wird mit gemütlichen Polstermöbeln ausgestattet. Selbst an Blumen lassen es die Samariterinnen nicht fehlen. In der behaglichen Stille seiner Stube hinter Gittern gefällt es Pfau, und als man ihm offenbart, daß die Strafzeit vorbei ist, bedarf es der Gewalt, um ihn wieder abzuschieben. Nur murrend tritt er den Weg in die Außenwelt an." (Erich Weinstock, S. 25f.)

An seinem 70. Geburtstag erhielt Pfau das Ehrenbürgerrecht seiner Vaterstadt Heilbronn. In der Grußadresse wird auf seine Verdienste hingewiesen. Von Dichtung, Sprache, Kunst ist die Rede, aber auch von der Idee des Fortschritts, was auf seinen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie in Deutschland zu beziehen ist.

Der "Eulenspiegel" als oppositionelles Blatt im Königreich Württemberg

Die Verfassungsdiskussion in der Zeit nach dem Wiener Kongreß und die folgenden Auseinandersetzungen zwischen demokratischen und restaurativen Kräften während des Vormärz veränderte die Presselandschaft in Württemberg nachhaltig. Vor allem in den oppositionellen Blättern spiegelte sich die scharfe innenpolitische Auseinandersetzung der Zeit wider. Die Tradition des "Volksfreundes aus Schwaben" (1818-1822) und der "Neckarzeitung" (1819-1833) - beide unter Mitwirkung von Friedrich List herausgegeben - wurde vom "Demokratischen Hochwächter" und schließlich vom "Beobachter" (ab 1833) fortgeführt. Der "Beobachter" wurde zum Organ der württembergischen Demokraten. 1864 übernahm Karl Mayer den Redaktionsvorsitz. Pfau arbeitete bis zu seinem Tod maßgebend an dem Blatt mit.

Der "Eulenspiegel" ist innerhalb der Zeitungslandschaft Württembergs eine Besonderheit der Revolutionszeit und der folgenden Jahre bis zu seinem Ende 1853. Er steht in der Tradition des englischen Karikaturenblattes "Punch" (gegründet 1841) und der Münchener "Fliegenden Blätter" (gegründet 1844). Pfau bezeichnet in seinem Lebenslauf den "Eulenspiegel" als "erstes politisches Karikaturenblatt in Deutschland", was insofern zutrifft, als der "Eulenspiegel" ausschließlich politische Karikaturen und Texte enthält. Dennoch steht der Eulenspiegel in einer Tradition periodisch erscheinender "Witzblätter" in Württemberg, von denen einige genannt sein sollen:

- Satyrisch-moralisches Allerley voll anmutiger Erzählungen und Gedichte. Ulm 1762

- Die Kapuzinersuppe. Ulm 1787

- Beobachter - eine Wochenschrift politisch-moralisch-satyrischen Inhalts. Stuttgart 1788-1790

Während der Zeit der Französischen Revolution und der Restauration erlaubten die Zensurbedingungen solche Blätter nicht mehr. Erst 1839 wird die Tradition mit dem "Schwäbischen Humorist" weitergeführt. (Vgl. Supper, S. 8f.) Während seines Aufenthaltes in Karlsruhe hatte der 26jährige im Sommer 1847 seinen Plan mit Hermann Kurz diskutiert. In einem Brief vom 7. 12. 1847 schrieb Pfau an ihn: "Der große Haufe muß herhalten, wenn das Blatt gehen soll, und da muß man vor allem verständlich sein. Denn der feine tieksche Humor ist, wie ihr wißt, nie volkstümlich geworden. [...] Ich kann dem Eulenspiegel eigentlich nur dadurch ein langes Leben fristen, daß ich seinen Charakter etwas weit und schlotterig halte. Im übrigen ist er ja auch ein Narr, dem es auf eine Handvoll mehr oder weniger nicht ankommt. Zu sehr darf man freilich nicht über die Schnur hauen, und die Sache ist nicht leicht, das spüre ich wohl." (zit. n. Ullmann, S. 104)

Pfau wollte mit seinem Blatt ein breites Publikum ansprechen, politisches Bewußtsein schaffen. Seine Wurzeln hat das Blatt noch in der heißen Phase des Vormärz. Wenige Wochen vor dem Ausbruch der Revolution erschien die erste Nummer.

"Eulenspiegels Erweckung" im Januar 1848 war bereits ein voller Erfolg. In einem Brief an Berthold Auerbach schrieb Pfau am 25. 1.1848: "Das freut mich gerade, daß das Volk so zugreift, und ich kann Sie versichern, die Kerl verstehen die politischen Anspielungen besser als unsere noble Stuttgarter Gesellschaft. Das ist ein Zeichen der Zeit. Die Untern fangen an, die Obern zu überflügeln [...] Der Eulenspiegel macht mir Freude; erstens, weil das Volk begierig danach greift, und zweitens, weil ich in dieser Zeit, die aller Handlung bar ist, doch wenigstens ein bißchen draufhauen kann." (zit. n. Ullmann, S. 105)

Sechs Wochen später hatte sich das Klima in Deutschland grundlegend geändert. Die Zeit war nicht mehr "bar aller Handlung". Der Eulenspiegel stand seit den Märztagen mitten in der Tagesaktualität und entwickelte sich schnell zu einem gefürchteten Kampfblatt der württembergischen Demokratie. Das Profil des Blattes kam in dieser Zeit immer schärfer heraus: radikaldemokratisch, freiheitlich, föderalistisch. Gefordert wurde ein vereintes und freies Deutschland ohne Zollgrenzen und ohne feudalistische Relikte. Nicht nur konservative Kreise wurden aufs Korn genommen, in zunehmendem Maße wandte sich der beißende Spott auch gegen die Kirche und gegen das Besitz- und Bildungsbürgertum, das allzuschnell bereit war, mit den alten Gewalten Kompromisse einzugehen. Konsequent kämpfte der "Eulenspiegel" deshalb auch für die Errichtung der Republik. Im "Politischen Katechismus" (Eulenspiegel Nr. 32, 1849) muß Michel die zehn Gebote aufsagen, worin es u. a. heißt: "Du sollst allezeit mit einem devoten Katzenbuckel einhergehen. Du sollst den Zopf nicht töten. Du sollst dich nicht unterstehen zu denken. Du sollst nicht vorwärts laufen, sondern rückwärts. [...] Was ist der kurze Inhalt dieser 10 Gebote? Die konstitutionelle Monarchie." Dieser Katechismus bescherte dem "Eulenspiegel" einige Zensurverfahren. Bereits am 15. Februar 1848 hatte die preußische Regierung ein Zensurverfahren gegen den Eulenspiegel beantragt, das sich auf die allererste Ausgabe bezog: "[...] daß gerade gegen die unter dem Titel ,Eulenspiegel` hier erscheinende Wochenschrift eine den Bundesgesetzen entsprechende Zensur geübt werden möge, indem das erste Blatt dieser Schrift in dem Aufsatz ,Eulenspiegels Erweckung` unverkennbare, Seine Majestät den König (Anm.: d. i. der König von Preußen), des Unterzeichnenden allergnädigsten Herrn, verunglimpfende Anspielungen enthält" (zit. n. Supper, S. 14).

Die Märzrevolution brachte für das Blatt günstigere Bedingungen, doch hörten Zensurmaßnahmen nicht auf. Fast in jeder Ausgabe weisen Zensurzeichen darauf hin, womit der "Eulenspiegel" freilich auch wirbt, dergleichen geradezu thematisiert und für seine Ziele einsetzt. 1849 nehmen die Zensurprozesse wieder zu, parallel zum Wiedererstarken der alten Gewalten. In Nummer 49, 1849, heißt es: "In den letzten neun Wochen wurde unser Blatt nicht weniger als fünf Mal konfisziert [...] Wenn uns auch jede neue Konfiskation vor Wut zittern macht, wenn wir auch noch so große Opfer, moralische und materielle, bringen müssen, [...] wir werden den Mut doch nicht sinken lassen [...] Den Humor, die Satire knebeln sie nicht, selbst ein Stuttgarter Polizeiamt nicht."

Ludwig Pfau erscheint vom Januar 1848 bis Dezember 1850 als Herausgeber des Blattes, obwohl nach der Niederwerfung der badischen Revolution im Juni 1849 Pfau in die Schweiz geflohen war und nicht mehr aktiv an der Herausgabe des Eulenspiegel mitwirken konnte. Die Schriftleitung ging im Juli 1849 an L. Weisser über, im Juli 1850 an den Zeichner J. Nisle, im Oktober 1850 an H. Schmidt. Für die letzten drei Nummern im Sommer 1853 zeichnete F. Binder verantwortlich.

Nach Pfaus Flucht und der Niederschlagung der Revolution nahmen die Zensurmaßnahmen gegen den "Eulenspiegel" zu. Schon nach der Reutlinger Volksversammlung an Pfingsten 1849 stand in einem Polizeibericht: "Solange der Staatsanwalt gegen die unbegrenzte Frechheit dieser Blätter nicht einschreitet, ebenso lange werden wir auch den Zustand der Ruhe und Ordnung vermissen." (HSTA Stuttgart, E 146, Bü 1935)

Trotz aller Bemühungen gelang es den Behörden lange nicht, den "Eulenspiegel" zu verbieten. Wie subtil dabei vorgegangen wurde, zeigt folgendes Beispiel: Am 6. Oktober 1852 fragte die Stuttgarter Stadtdirektion beim Innenministerium an, ob man nichts gegen den damaligen Herausgeber Heinrich Schmidt unternehmen könne, da das Blatt, "wenn ihm der gegenwärtige Redakteur entzogen wird, höchstwahrscheinlich zu erscheinen aufhört, was bei der verderblichen Tendenz des Blattes sehr wünschenswert wäre" (zit. n. Ullmann, S. 336f.).

Man glaubte herausgefunden zu haben, daß Schmidt von Haus aus Theologe sei, und regte an, "ob nicht Einleitung zu treffen sei, daß der dem Kirchendienst angehörige G. H. Schmidt durch irgendeine Verordnung von der Redaktion des Eulenspiegel entfernt, oder aber, wenn er verwenden zu lassen sich weigert, aus der Liste der Predigtamtskandidaten gestrichen werde". (ebd.)

Das Innenministerium leitete diesen Vorschlag weiter an den Minister des Kirchen- und Schulwesens mit dem Hinweis: "S. E. ist bekannt, welche verderbliche Tendenz das illustrierte Tagblatt Eulenspiegel verfolgt, und wie schwierig es ist, gerade bei Karikaturen und Satiren, das erlaubte Gebiet des Humors und Witzes von dem Gesetzwidrigen abzuscheiden." Abschließend wurde bemerkt: "Jedenfalls dürfte es wohl nicht angehen, daß ein protestantischer Predigtamtskandidat die Redaktion des Eulenspiegel führt." (ebd.) Die Intriganten hatten Pech. Schmidt war schon lange vorher aus dem Kirchendienst entlassen worden, was sich in keiner Weise auf seine Tätigkeit beim Eulenspiegel ausgewirkt hatte. Dennoch waren die Tage des Eulenspiegel gezählt. Mitte 1853 konnte die Regierung dann doch noch die Einstellung des Eulenspiegel durchsetzen. Schmidt wurde wegen Beleidigung der Regierung angeklagt und am 5. Juli 1853 aus Stuttgart ausgewiesen. 1862-1864 versuchte Emil Ebner den Eulenspiegel wiederzubeleben, mit geringem Erfolg. Ihm fehlten Biß und Schlagfertigkeit. Auch war die Zeit dafür nicht mehr so günstig wie für den alten Eulenspiegel die Revolutionsjahre.

Theobald Kerner, einer der wenigen bekannten Mitarbeiter des "Eulenspiegel", und seine Beziehung zu Ludwig Pfau

Theobald Kerner, der Sohn des Weinsberger Dichterarztes Justinus Kerner, war ein Jugendfreund Ludwig Pfaus. Pfau kam bereits als Junge ins Kernerhaus. Sein Vater, der Kunstgärtner, war mit Justinus Kerner befreundet, und Pfau erhielt hier wohl die Grundlagen für seine spätere dichterische und philosophische Tätigkeit. Wenn er sich auch bald von der romantisch-biedermeierlichen Atmosphäre löste - ein typischer Generationenkonflikt, der ebenso bei Theobald Kerner festzustellen ist -, betrachtete er Justinus Kerner immer als väterlichen Freund, was in seinen Briefen an ihn deutlich zum Ausdruck kommt. Zusammen mit Theobald Kerner und Karl Mayer besuchte der nur wenig jüngere Pfau in Heilbronn das Gymnasium, wo er bereits als kritischer Kopf auffiel. Die Wege trennten sich, als Mayer und Kerner in Tübingen studierten. Dennoch blieben sie in Kontakt, trafen sich in verschiedenen Lebensphasen wieder zu gemeinsamer Aktion, während der Revolution 1848/49 oder 1864 bei der Wiederbegründung der demokratischen Volkspartei.

Wie Ludwig Pfau begann Theobald Kerner als romantischer Naturlyriker, wobei in den letzten Jahren des Vormärz bei beiden immer mehr politische Gedichte in den Vordergrund rückten, mit deutlichen Anklängen an das "Junge Deutschland", an Heine. Beide engagierten sich während der Revolutionszeit, Theobald Kerner früher in der Öffentlichkeit, als demokratischer Volksredner und Hauptmann der Weinsberger Bürgerwehr, Pfau zunächst vorwiegend aus der kritischen Distanz als Herausgeber des "Eulenspiegel". Erst im Herbst 1848, als Theobald Kerner bereits steckbrieflich gesucht im Straßburger Exil saß, begann Pfau auf demokratischen Volksversammlungen hervorzutreten und direkt ins politische Geschehen einzugreifen. In diesem halben Jahr - zwischen dem Frühjahr 1848 und Kerners Flucht Ende September - fand die Zusammenarbeit beim "Eulenspiegel" statt, veröffentlichte Theobald Kerner Gedichte in diesem Blatt. Sie sind jeweils mit seinem Namen gekennzeichnet, im Gegensatz zu den meisten anderen, nicht gezeichneten, was auf eine freie Mitarbeiterschaft schließen läßt. Wie Pfau nahm Kerner seine im Eulenspiegel veröffentlichten Gedichte später in seine Gedichtsammlungen auf, teilweise allerdings stark überarbeitet.

Kerners Texte sind weniger aggressiv als spöttisch, aus einer geistig überlegenen Distanz heraus geschrieben. Sie greifen Zeitströmungen auf, ohne allerdings auf Tagesereignisse einzugehen. Damit heben sie sich von den anderen Beiträgen etwas ab. Dennoch passen sie in die Grundstruktur des Blattes. Zu einigen Gedichten hat der Zeichner Nisle Karikaturen gezeichnet.

Kerner greift noch vor Ausbruch der Revolution im Februar 1848 die Pressezensur an: "Und in allen Städten sitzen, / Die Gedankenfäden schnipfelnd, / Mit der Schere die Zensoren..." oder stellt den Opportunismus mancher Zeitgenossen in der Anfangsphase der Revolution an den Pranger. Vergeblich läßt er den Teufel bei einem adeligen Herrn die Seele suchen:

"...Jetzt, was bleibt noch nach den Scherben?
Nichts! - und keine Seele da?
Nichts! Das bißchen, das man sah,
Haftete am äußern Schein
Und verschwamm schnell in die Leere.
Ach! In dieser Zeit, auf Ehre,
Ist selbst traurig Teufel sein!"

Mit Kerners Flucht hörte diese Zeit der Mitarbeit am Eulenspiegel abrupt auf. Von seiner Familie, vor allem seinem Vater, ständig gemahnt, kehrte er bereits im Frühjahr 1849 aus Straßburg in die Heimat zurück und stellte sich den Gerichten. Er blieb politisch aktiv und kandidierte für die Landtagswahl als Vertreter der Demokraten. Erst im Sommer 1850 erhielt er seinen Prozeß, in dem er wegen Aufforderung zum Hochverrat zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt wurde. Sechs Monate davon, vom November 1850 bis April 1851, saß er auf dem Hohenasperg ab. Dann wurde er nach mehreren Gnadengesuchen - vor allem seines Vaters - vorzeitig entlassen.

Wie Pfau blieb Kerner zeit seines Lebens aufrechter Demokrat und scharfer Kritiker von Militarismus und aufkommendem Nationalismus. Neben Erzählungen und feuilletonistischen Texten veröffentlichte er weiter zeitkritische Gedichte und Prosa. Hochbetagt starb er als Hüter des Kernerhauses und Nestor der württembergischen Demokraten seiner engeren Heimat 1907 im Alter von neunzig Jahren.

Anmerkungen zu den Materialien aus dem "Eulenspiegel"

M1:




 

Theobald Kerner, mit Pfau und dem jungen Freiligrath aus den Zeiten im Kernerhaus eng befreundet, veröffentlichte bis zu seiner Flucht nach Straßburg im September 1848 im "Eulenspiegel" Gedichte.

Die Aufhebung der Pressezensur war eine der dringlichsten Forderungen der liberalen und demokratischen Opposition. Am 2. März 1848 wurde in Württemberg formal die Pressefreiheit gewährt, im Dezember 1850 wieder eingeschränkt. Dennoch gab es zahlreiche Verfahren gegen einzelne Veröffentlichungen, die vor allem kritischen Blättern wie dem Eulenspiegel drohten.

M2:

Pfau arbeitete dieses 1847 datierte Gedicht für den Eulenspiegel um. In späteren Ausgaben der Gedichte Pfaus erscheint es wieder in alter Form unter dem Titel "König Humbug" (Vgl. Frasch, S. 190)

M3:

Unter der "schwarzen Hofwäsche" sind die reaktionären Maßnahmen seit dem Wiener Kongreß zu verstehen, z. B. die Karlsbader Beschlüsse, die verschärfte Zensur und Überwachung der Universitäten brachten (1819).

M4:

Contrebande oder Konterbande: Schmuggelgut. Dargestellt ist die österreichische Grenze, ein Zöllner, der wohl Ähnlichkeit mit dem jungen Franz Josef hat und dem Eulenspiegel den Zutritt verwehrt. Im Spiegel erscheint ein Schafskopf.

M5:

Pfau arbeitete dieses 1846 datierte Gedicht für den Eulenspiegel um. In späteren Ausgaben erscheint es wieder im alten Text unter dem Titel "Herr Biedermeier" (Vgl. Frasch S. 191, Moritz, S. 63)

M6:

s. Anm. 1

M7: 

und M8:

Die Karikatur "Der deutsche Michel als Polizeisoldat" wurde tatsächlich gerichtlich beanstandet. Hinweise darauf finden sich in der Zensurakte des Innenministeriums (HSTA Stuttgart, E 146, Bü 5052 neu; vgl. Ullmann S. 336)

M9:

s. Anm. 1

M10:

Parodie auf das Studentenlied "O alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden?" Der Text ist auf die Melodie des Liedes zu singen, der Refrain übernommen.

M11:

Erst 1847 war das bald überall bekannte Kinderbuch des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann erschienen, auf das die Parodie Bezug nimmt.

M12:

Das Prinzip des Gottesgnadentums steht gegen die Forderung nach Volkssouveränität und gegen den konstitutionellen Gedanken. Nach der Niederwerfung des Frankfurter Volksaufstandes im September 1848 ist die Autorität der deutschen Nationalversammlung schwer erschüttert. Die alten Gewalten erkennen dies und beginnen mit der Restauration. Als die Karikatur erscheint, debattiert die Frankfurter Nationalversammlung gerade die künftige deutsche Verfassung. Tatsächlich berief sich Friedrich Wilhelm IV. Monate später auf sein Gottesgnadentum, als er die Kaiserkrone ablehnte.

M13:

Der Eulenspiegel karikiert die widersprüchliche und wechselhafte Haltung des preußischen Königs während der Revolution.

M14:

Die Karikatur bezieht sich auf die erbitterten Auseinandersetzungen in der Frankfurter Paulskirche um Republik oder Monarchie, Wahl- oder Erbkaisertum, groß- oder kleindeutsche Lösung.

M15:

Angegriffen wird die Haltung der Fürsten während der Revolution, die zunächst im März 1848 Zugeständnisse machten und dann die Nationalversammlung immer mehr negierten, schließlich auseinandertrieben. Betrogen ist der deutsche Michel, der sich auf die Reden der Fürsten verlassen hatte.

M16:

Parodie auf das Flohlied in Goethes Faust (Auerbachs Keller). Die Karikatur und die Parodie beziehen sich auf die bevorstehende Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum deutschen Kaiser durch die Nationalversammlung.

M17:

Kritik an der passiven Haltung des deutschen Bürgertums, das in seiner Mehrheit nach den Märzereignissen von der Revolution abrückte.

M18:

Am 28. März 1849 wählte die Nationalversammlung Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser, der jedoch am 3. April erklärte, die Wahl nur unter Zustimmung aller deutschen Fürsten annehmen zu können und schließlich am 28. April 1849 endgültig ablehnte.

M19:

Karikatur der Wandlung des deutschen Michels vom Revolutionär zum passiven Bürger

M20:

Der biblische Bezug wird auch im Text deutlich. Während der überfallene deutsche Michel vom barmherzigen Demokraten versorgt wird, schleichen sich Professoren und Priester davon. Die Räuber schlagen sich in die Büsche. Es sind die deutschen Fürsten, die dem Michel Freiheit, Einheit und Volkssouveränität geraubt haben. Professoren und Priester stehen für das Bildungsbürgertum, welche die Sache des Volkes verraten haben und damit zu Mitschuldigen werden. Nach der Ablehnung der Kaiserkrone an eben dem Tag, als dieser "Eulenspiegel" erschien (28. April 1849), war der Traum von einem einigen und freien Deutschland ausgeträumt. Die Nationalversammlung in Frankfurt löste sich auf, die Demokraten siedelten als "Rumpfparlament" nach Stuttgart über, wo sie am 18. Juni von württembergischem Militär gewaltsam auseinandergetrieben wurden, unter ihnen der greise Ludwig Uhland.

M21:

Nach der Flucht des badischen Großherzogs wurde am 14. Mai eine provisorische Regierung unter Lorenz Brentano als Präsidenten der "Obersten Verwaltungsbehörde" gewählt. Ziel dieser Regierung war die Durchsetzung der in Frankfurt beschlossenen Reichsverfassung. Am 25. Mai wurde Sigel zum Oberkommandanten der badischen Revolutionsarmee ernannt. Er versuchte mit Hilfe württembergischer Demokraten - unter ihnen Pfau - Württemberg und das bayerische Franken zu revolutionieren. Gleichzeitig sollte ein Armeekorps über Darmstadt nach Frankfurt vorstoßen. Am 28. Mai erließ Sigel von Mannheim aus einen "Aufruf an das deutsche Volk", in dem er klar den "Zweck der Bewegung" definierte, nämlich die "Feststellung und Sicherung der von der deutschen Nationalversammlung endgültig beschlossenen Reichsverfassung" (Vgl. Vollmer, S. 167). Angesichts dieser Ereignisse verschlägt es dem Leser der Karlsruher Zeitung die Sprache.

M22:

Preußisches Militär unter der Führung des "Kartätschenprinzen", des späteren Kaiser Wilhelm I., hatte im Juni 1849 Baden besetzt und die badischen Revolutionstruppen in zähen Kämpfen geschlagen. Der "Eulenspiegel" macht darauf aufmerksam, daß Württemberg nun von Preußen "umarmt" ist.

M23:

Angesichts des späten Datums (6. Oktober 1849) erscheint diese Karikatur als Wunschdenken, die Demokratie möge schließlich doch noch siegen und den Fürsten "an den Bart gehen".

M24:

1849, das Jahr, in dem der Michel viel Saures schlucken mußte: "Standrecht" und "Belagerungszustand" deuten die Niederwerfung der Revolution durch die Fürsten an.

M25:

vgl. M22. Ludwig Pfau befand sich zu dieser Zeit bereits im Exil. Er war mit den Resten der badischen Revolutionsarmee am 12. Juli 1849 in die Schweiz gelangt.

Hinweise für den Unterricht

Im Schuljahr 1988/89 fand im Justinus-Kerner-Gymnasium in Weinsberg mit Schülern der Klasse 11 eine Arbeitsgemeinschaft statt, die sich mit dem Thema "Vorkämpfer der Freiheit - Ludwig Pfau und Theobald Kerner - zwei Achtundvierziger aus Heilbronn und Weinsberg" befaßte. Das Thema war fächerverbindend angelegt, ausgehend von den Leitfächern Deutsch und Geschichte mit Bezügen zu Gemeinschaftskunde, Bildende Kunst und Musik. Einen weiteren Schwerpunkt bildete das fächerübergreifende Thema Landeskunde und Landesgeschichte. So standen die revolutionären Ereignisse in Württemberg und ihre Kommentierung durch den Heilbronner Ludwig Pfau und den Weinsberger Theobald Kerner im Mittelpunkt der Betrachtung. Der "Eulenspiegel" erwies sich dabei als geeignetes Untersuchungsobjekt. Die vollständigen Exemplare konnten im Stadtarchiv Heilbronn und in der Landesbibliothek Stuttgart durchgesehen werden. So hatten die Teilnehmer der AG auch Berührung mit Einrichtungen außerhalb der Schule. Ein Besuch des Deutschen Literaturarchivs in Marbach ergänzte diesen Bereich. Dort konnten Manuskripte von Theobald Kerner und Ludwig Pfau eingesehen werden. Die Ergebnisse der AG wurden in einer Schulausstellung und Dokumentation zusammengefaßt.

Die Behandlung eines solchen Themas in dieser Art setzt eine spezielle, wenn auch effektive Unterrichtsform voraus und wird wohl innerhalb der bestehenden Unterrichtsstrukturen auf Projekte und Arbeitsgemeinschaften beschränkt bleiben. Einzelne Themenaspekte können aber auch in den pädagogischen Alltag übernommen werden, sei es die Konfrontation mit einem Dichter aus der näheren Umgebung oder die Einbeziehung von Texten und Zeichnungen aus dem "Eulenspiegel" in den Geschichtsunterricht. Für die Behandlung der Achtundvierzigerrevolution bietet der "Eulenspiegel" motivierendes Material für alle Schularten und Schulstufen. Es handelt sich zum einem um zeitgenössische Quellen, zum anderen um knappe und pointierte Stellungnahmen zum historischen Zeitgeschehen aus südwestdeutscher Perspektive. Durch diese Unmittelbarkeit können Barrieren überwunden werden, die sich ganz zwangsläufig ergeben, wenn man versucht, in eine längst vergangene Zeitepoche einzutauchen, deren Zeitgeist zu erfassen bzw. deren Stimmungslagen nachzuvollziehen. Die Frage des politischen Standorts spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch hier erweist sich der "Eulenspiegel" als günstige Quelle für den Unterricht. Seine Haltung läßt sich klar definieren als republikanisch und demokratisch. Damit steht er am Beginn der demokratiegeschichtlichen Tradition, die von der Revolution 1848 über die Zeit der demokratischen Opposition im Bismarckstaat zur Weimarer Republik und schließlich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland führt.

Am konkreten Fall kann dem Schüler deutlich gemacht werden, wie wichtig die kritische Auseinandersetzung mit dem Tagesgeschehen für eine demokratische Gesellschaft ist und wie schwierig es noch in dieser Zeit für ein Blatt war, freiheitlich demokratische Grundsätze gegenüber den bald wiedererstarkenden demokratiefeindlichen alten Gewalten zu erfüllen.

Parallelen lassen sich ziehen zur Funktion der Presse heute, im engeren Bereich zu politischen Karikaturen in der heutigen Tagespresse, wobei im historischen Vergleich deutlich gemacht werden kann, daß freie Presse eine demokratische Errungenschaft ist, die ihre Geschichte hat und keine Selbstverständlichkeit ist. Besonders in Klasse 9 Gymnasium bietet sich hier fächerverbindender Unterricht zwischen Deutsch (Schwerpunktthema Pressewesen) und Geschichte ( Behandlung der Revolution 1848) an. Die Revolution von 1848/49 ist verbindliches Thema in allen Schularten (Hauptschule und Realschule Klasse 8, Gymnasium Klasse 9, 12 und 13). Sie ist - trotz ihrer Niederwerfung - eine wichtige Etappe auf dem langen und schwierigen Weg zur deutschen Demokratie. Vom Standpunkt der politischen Bildung stehen dabei folgende Fragen im Vordergrund:

- Welche demokratischen Traditionen unseres heutigen Staats- und Gesellschaftsverständnisses liegen in der Revolution von 1848/49 begründet?

- An welchen Widerständen scheiterte der Versuch, die Grundlagen für ein einiges und freies bzw. demokratisch-rechtsstaatliches Deutschland zu schaffen?

- Wie stellen wir uns heute zu den revolutionären Aktionen unserer Vorväter? Akzeptieren wir sie als Vorkämpfer der Freiheit oder haftet ihnen noch der "Ludergeruch" des Illegalen an als Aufrührer gegen die obrigkeitliche Ordnung? Diese Fragen stellen sich auch, wenn man sich im Deutschunterricht mit Vormärzlyrik und politischer Lyrik aus der Achtundvierzigerrevolution befaßt. Darüber hinaus kann hier die Wechselwirkung zwischen Literatur und Gesellschaft deutlich gemacht werde: Was trieb den Dichter dazu, sich zu damals aktuellen Ereignissen und Zeitströmungen in literarischer Form zu äußern? Welche Wirkung erzielte er damit? Welcher Kunstformen bediente er sich? Literatur und Geschichte, Deutsch- und Geschichtsunterricht fließen bei solchen Fragestellungen zusammen. Dies kann besonders anschaulich am "Eulenspiegel" gezeigt werden, der oppositionellen Zeitschrift mit dem Anspruch, einen breiten Leserkreis zu erreichen, mit unterschiedlichen Äußerungsformen von der Karikatur über Feuilleton, satirischer Prosa bis hin zur politischen Lyrik; mit der kurzen aber lebhaften Geschichte vom Aufblühen im Frühjahr 1848, der Auseinandersetzung mit der zunehmend schärfer werdenden Pressezensur bis zu seinem bitteren Ende in der Reaktionszeit 1853.

Literatur

Eulenspiegel. Ein Volks-, Witz- und Caricaturenblatt, redigiert von Ludwig Pfau. 1. Band. Stuttgart 1848, Expedition des Eulenspiegel (Folgebände 1849-1853)

Günther Emig (Hrsg.): Ludwig Pfau Blätter, Informationen, Hinweise, Nachrichten. Ausgabe 1. Heilbronn 1992

Theodor Heuss: Ludwig Pfau. Umrisse. Separatdruck aus "Patria", 1912

Theodor Heuss: Schwaben. Farben zu einem Portrait. Tübingen 1967

Werner Frasch (Hrsg.): Als Kaiser Rotbart lobesam... Balladen, Lieder und Gedichte aus Württemberg und Baden vom Mittelalter bis heute. Stuttgart 1988

Erwin Fuchs: Ludwig Pfau - Lebensbild - Lebenswerk - Lebensweg. [Masch.] o. J. [1983]

Ulrich Maier: "Wer Freiheit liebt..." Theobald Kerner, Dichter, Zeitkritiker und Demokrat. Weinsberg 1992

Rainer Moritz (Hrsg.): Ludwig Pfau, Ausgewählte Werke, Stuttgart 1993

Wilhelm Steinhilber: Die Heilbronner Bürgerwehren 1848 und 1849 und ihre Beteiligung an der badischen Mairevolution des Jahres 1849. Heilbronn 1959. (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn. Heft 5)

Ottilie Supper: Witz, Satire und Humor in der Publizistik Württembergs mit besonderer Berücksichtigung der schwäbischen periodischen Witzblätter. Würzburg 1938. (Zeitung und Leben. Band 51). - München, Phil. Diss.

Reinald Ullmann: Ludwig Pfau. Monographie eines vergessenen Autors. Frankfurt 1987 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur. Band 1012). - Gießen, Phil. Diss.

Franz Xaver Vollmer: Vormärz und Revolution in Baden. Frankfurt 1979

Erich Weinstock: Ludwig Pfau - Leben und Werk eines Achtundvierzigers. Heilbronn 1975. (Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn. Band 7)