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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 1. 5. 1858
Adressat: Karoline Weisser


Paris den 1. Mai 58

Edle Plastik!

Gestern habe ich der Marie geschrieben und ihr einen Auftrag für Dich oder Dein theures Käfferlein gegeben, den sie Dir vielleicht bereits mitgetheilt und auf den ich weiter unten zurückkommen werde.

Ich habe mit Fleiß den Brief an Dich nicht in den von Marie eingeschlossen, weil ich Dich über etwas fragen will, das Marie mir bis jetzt vorenthielt, über das, wie es scheint, sie nicht
sprechen mag u. von dem Du ihr also vielleicht auch nichts sagen willst; was Du vielleicht nicht hättest verhindern können, wenn sie Dir meinen Brief selbst gegeben hätte.

Ich hatte nämlich längst eine geheime Ahnung, daß Herrmann eifersüchtig auf mich war und daß dieser Quelle sein höchst sonderbares Betragen gegen mich entsprang. Da ich mich in dieser Beziehung aber so unschuldig wußte, als ein neugeborenes Kind, so unterstellte ich seinem Betragen andere Gründe, namentlich seinen körperlichen Zustand u. seine sonstigen Sonderbarkeiten. Doch war mir die Sache immer höchst verdächtig, bis mir nun endlich von anderer Seite her mein Verdacht vollkommen bestätigt wird. Ich bitte Dich, mir nun einiges Ausführlichere über diese Sache mitzutheilen, da Du ohne Zweifel Mariens Vertraute und auch als Freundin des Hauses ohne Zweifel die stille Beobachterin dieser Eifersuchts-Krisis warst. Es versteht sich von selbst, daß ich diese Einzelheiten nicht von Dir verlange, um irgend welchen Gebrauch davon zu machen, da unter solchen Umständen Schweigen immer das Beste ist, namentlich wo die Trennung und Entfernung jede Erklärung unnöthig macht. Aber wissen möchte ich doch, was in des Blauen Schädel eigentlich vorging, wie er sich zu Marien ((verhält)) und wie ich nun eigentlich mit ihm stehe; ob er von seinem Irrthum zurückgekommen ist oder ob sein Verhältniß zu mir auch noch an der Misantropie laborirt.

Schreibe mir also hierüber einen ausführlichen und detaillirten Bericht, damit ich weiß, wie ich eigentlich mit dem Blauen dran bin. Es sollte mir leid thun, wenn er so einfältig wäre,
unser langjähriges freundschaftliches Verhältniß durch seine Grillen zu verderben, zu welchen ich ihm, hol mich der Teufel, keine Veranlassung gegeben habe. Da siehst Du, welchen Profit man von der Tugend hat. Hätte ich wirklich Übles im Sinne gehabt, so wäre ich mit äußerster Vorsicht gewandelt und hätte der Blaue nie das Gefühl seiner Sicherheit verloren. So hab ich mir aber in Beziehung auf Freundschaft einige moralische Grundsätze im Laufe der Zeiten angeschafft u. muß mich nun wie jeder Philister mit meinem guten Gewissen trösten zur Belohnung. Der Gerechte muß viel leiden, sagt die Schrift.

Nun in Betreff meiner Gedichte ersuche ich Dich oder Dein Käfferlein, dafür zu sorgen, daß unverweilt 6 Exemplare roh - da sie wahrscheinlich noch nicht broschirt sein werden - an
meine Adresse: 109 Rue de La Harpe, per Eisenbahneilfuhr geschickt werden. Ich habe den letzten Correcturbogen vor Wochen abgeschickt; das Ganze muß also längst gedruckt sein. Sodann habe ich Herrn Lins geschrieben, unter der Franckh'schen Firma auf dem Titel das: Commissions-Verlag wegzulassen, das auf der Correctur stand. Überzeuget Euch, ob diese Correctur ausgeführt wurde. Herr Lins ist wahrscheinlich gegenwärtig in Leipzig bei der Messe, deshalb muß man selbst nachsehen, sonst geht nichts vorwärts.

Was mich selbst betrifft, so befinde ich mich gut . Proudhon's Buch wurde, wie Ihr vielleicht schon wissen werdet, mit Beschlag belegt. Es war aber die ganze Auflage beinahe schon ganz verkauft. Nach der Ostermesse wird meine Übersetzung erscheinen u. ich werde dann für Dich u. Marie ein Ex . nach Stuttgart schicken. Was machst Du denn mit Deinem ((Töckeln))? Geht es noch erträglich? Was treibt Dein Ludwig? Wie gehts mit seien Werken? Gebt auch wieder eine Urkund von Euch, grüßet die Freunde, namentlich auch den dicken ((Jauner)) u. seid herzlich gegrüßt von Eurem

L P.


Deutsches Literaturarchiv Marbach
Best.: A: Pfau
Nr.: 32.682
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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