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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 4. 12. 1850
Adressat: August Becher


Zürich 4. Dez. 1850

Mein lieber Becher!

Die Zürcher Polizei wird alle Tage niederträchtiger. Nächsten Montag muss ich unwiederruflich fort von hier u. zwar sollte ich nach Luzern. Da ich nun aber nach Bern möchte, und mein Geldbeutel nicht so beschaffen ist, dass er die Reise von hier nach Luzern u. von dort wieder nach Bern verträgt, so ersuche ich Dich, mir von der dortigen Behörde einen Urlaub nach Bern auszuwirken, u. unter Mayers Adresse nach Wabern zu schicken. Meine definitive Ausweisung erfolgte so plötzlich und unerwartet, und es lässt sich so wenig daran abmarkten, dass ich keine andere Wahl habe, als entweder die doppelte Reise zu machen, oder auf Risiko sogleich nach Bern zu gehen, denn Deine Antwort hier abzuwarten wird mir nicht gestattet.

Allem nach was ich übrigens von Luzern gehört habe, wird ein solche Urlaubsbewilligung nicht schwer zu erhalten sein. Ich bitte Dich um so mehr diese Gelegenheit eifrig u. schleunig zu besorgen, als ich mit dem hiesigen Polizeipascha Stuss hatte, weil ich ihm einige Wahrheiten über seine Niedertracht sagte, u. er mir deshalb in Bern eine Suppe einrühren könnte, wenn ich von Luzern keine Legitimation habe. Dass ich mit R. Gross eine Zeitung für Amerika begann, wirst Du wahrscheinlich wissen. Wir haben 3 Nummern fortgeschickt, aber der amerikanische Agent ist mit der Einnahme zum Teufel. Wie lebst Du denn in Luzern? Du hast doch eine Frau. Uns frisst die Flüchtlingslumperei beinahe auf. Wir haben das "Demokratelesthun" theuer büssen müssen.

Wenn man nur auch wüsste warum man eigentlich in der Schweiz ist u. auch was gebost hätte; aber so für nichts und aber nichts. Diezel ist vor ein paar Tagen von hier abgereist um sich in Augsburg dem Sohwurgericht zu stellen. Nächsten Montag ist die Verhandlung.

Lebe nun wohl, empfiehl mich Deiner Frau, besorge den Urlaub schnell u. sei herzlich gegrüsst von Deinem

LPfau
Ohne Adresse.


Historisches Institut der Universität Bern
Sign.: Flüchtlingsschrank, Slg. Näf
Original: Zentrales Staatsarchiv Potsdam
Sign.: NL Carl Mayer 90 Ma 3 P 12, Bl. 16
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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