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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 2. 6. 1847
Adressat: J. D. Sauerländer


Karlsruhe, den 2. Juni 47

Euer Wohlgeboren

Zusendung: 2 ((...)) u. die Randzeichnungen habe ich richtig erhalten; für die Besorgung der ersteren dankend, bedaure /ich/ ((es)), daß Sie von letzteren keinen Gebrauch machen /wollen/, um so mehr, als ich bei dem bedeutenden Talente meines Freundes, der die überschickten Zeichnungen größtentheils schon vor 2 Jahren entworfen hatte, überzeugt bin, daß er nur immer Ansprechendes geliefert hätte, da ihm jene Anmuth und Lieblichkeit, die das Publikum bei derartigen Zeichnungen so sehr schätzt, in hohem Grade eigen ist. Nun! vielleicht haben Sie später, wenn sich die Zeiten bessern, eher Lust; denn ein derartiges Werk hängt ja nicht vom Augenblick des Erscheinens ab, sondern findet fort u. fort seine Liebhaber.

Trotz der Ungunst der Zeiten, erlaube ich mir doch, Ihnen noch einen anderen Plan vorzulegen, den ich schon seit längerer Zeit mit mir herum trage; denn wer in guten Zeiten ernten will, muß auch in schlimmen das Säen nicht unterlassen, u. bis ein Buch geboren u. herangewachsen ist, ändern sich wohl auch die Zeiten. Ich meine nämlich eine tüchtige, classische Übersetzung Bérangers. Béranger hat mit seinen politischen Anklängen, mit seinem kecken die Mißbräuche der Zeit und die Schwächen der Großen geißelnden Humor, so viel, was in unserer Zeit wurzelt, das Interesse der Zeitgenossen erregt, daß ich nicht zweifle, daß eine tüchtige Übersetzung ziehen müßte. Es sind zwar schon mehrere übersetzte Auswahlen aus seinen Gedichten erschienen; diese sind aber theils zu unvollständig, theils zu leicht gearbeitet. Selbst eine Auswahl aus Béranger, von Gaudy und Chamisso übersetzt, entgeht diesem Vorwurf nicht. Chamisso, der eine gewisse Härte der Sprache selbst in seinen eigenen Gedichten nicht ganz verläugnen kann, zeigt dieselbe als Übersetzer, wo er mehr gebunden ist, noch stärker; u. macht sich häufig das Geschäft leicht, indem er den immer wiederkehrenden Endreim, den Refrain, nicht in deutschen Reimen übersetzt, was der ganzen Physiognomie des Gedichtes viel von ihrem Charakter nimmt. Eine solche Übersetzung muß bei möglicher Treue, mit der sie Sinn und Ausdrucksweise des Orginals wiedergibt, doch so flüssig und klar sein, daß der Leser ein deutsches Gedicht vor sich zu haben glaubt, u. daß er nirgends über Härten und Wendungen stolpert, dem man das Geschäft des Übersetzens anmerkt. Dabei müßte aber namentlich der Refrain mit seinen Endreimen im Deutschen wiedergegeben sein, weil der Charakter des »Chanson« diesen bedingt, das ohne denselben matt wird und gleichsam auseinanderfällt. Der reimende Refrain ist der Schluß- u. Ruhepunkt jeden Verses, der Faden, der durchs Ganze geht, u. von größter Wichtigkeit. Ich würde mir nun getrauen, alle diese Bedingungen zu erfüllen u. habe bereits Mehreres übersetzt, das nach dem Urtheile aller Sachverständigen diese Bedingungen glänzend erfüllt. Ein zweijähriger Aufenthalt in Paris hat mir die Anschauungs- u. Gefühlsweise dieses Dichters nähergebracht, u. meine Vorliebe für denselben sowie eine große Leichtigkeit in Handhabung des Verses hat mich in den Stand gesetzt, hiebei Schwierigkeiten zu überwinden, die auf den ersten Anblick unüberwindlich schienen. Ich würde Ihnen einige Proben mitsenden, doch befinden sich dieselben im Augenblick in den Händen meines Freundes Hermann Kurtz; doch kann ich Ihnen dieselben bei nächster Gelegenheit zusenden, im Fall Sie Lust hätten, auf die Herausgabe einer Übersetzung Bérangers einzugehen. Dieselbe müßte jedenfalls ziemlich vollständig sein, wenn man auch Einiges minder wichtige oder blos für Franzosen verständliche weglassen würde. Wenn man hiezu Cliches von den Grandvilleschen Illustrationen (diese Ausgabe ist glaub ich bei H. Fournier in Paris erschienen) bekommen könnte, so würde das um so besser sein, weil Grandville sich auch in Deutschland vieler Verehrer erfreut, u. diese classischen Illustrationen den Gedichten Bérangers einen ganz neuen Reitz, ein ganz neues Verständniß verleihen. Man könnte hier auch einer Verlagshandlung nicht den Vorwurf machen, daß sie sich an französischen Tischen füttern wolle, da eine Illustration Bérangers  nothwendig von einem französischen Künstler gemacht werden muß. Sollten aber solche Abklatsche nicht mehr zu haben sein, so könnten diese Holzschnitte von einem geschickten Federzeichner auf Stein so nachgeahmt werden, daß sie wenig zu wünschen übrig ließen. Sollten Sie aber keine illustrirte Ausgabe zu geben wünschen, so meine ich, könnte man dem Publikum eben so gut eine classische Übersetzung fremder Dichter in jenen Miniaturausgaben vorführen, als die deutschen. Eine solche Ausgabe wäre gewiß nicht übel. Jedenfalls aber wäre eine mit den Illustrationen Grandvilles vorzuziehen; denn dieses würde doppelt ziehen.

Nach Frankfurt werde ich jedenfalls diesen Sommer kommen, aber schwerlich sobald, um die letzte Correktur noch dort zu lesen. Ich ersuche Sie, mir mit dem letzten Correkturbogen zugleich einen Abdruck von Titel u. Inhaltsverzeichniß mitzuschicken, u. die Sache vollends schnell zu beendigen. In der Hoffnung, gute Nachrichten in Betreff meines Vorschlags von Ihnen zu erhalten, zeichne ich mit aller Hochachtung
L. Pfau
NB auf der letzten Correktur stand aus Versehen
Herrenstraße Nro. 20 statt Nro. 29


Quelle: Universitätsbibliothek Frankfurt (Main)
Sign.: Ms. Ff. J. D. Sauerländer
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


Erläuterungen:

mehrere übersetzte Auswahlen ] Beranger's Lieder in den Versmassen des Orig. verdeutscht durch L. S. Rubens. Bd. 1-3. Bern: C. Fischer 1839-1841. – Béranger's Lieder. Auswahl in freier Bearbeitung von Adelbert von Chamisso u. Franz Gaudy. Leipzig: Reclam [1838]. 2. Aufl. Leipzig: Weidmann 1845.

Fournier ] Œuvres complètes de P[ierre] J[ean] de Béranger. Illustr. par [Jean Ignace Isidore] Grandville et Raffet. Paris: Fournier 1837.


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