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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 6. 5. 1891
Adressat: Anna Spier


Stuttgart den 6. Mai 1891

Liebe Anna!

Ich will Dir nur gleich antworten, ( ... )

Wie ich aus Deinem Brief ersehe, hast Du genußreiche Tage, in Berlin erlebt, die ich Dir von Herzen gönne, um die ich Dich aber - wenigstens was den literarischen Theil betrifft – nicht unbedingt beneide. Denn aufrichtig gesagt, das Jungberlinerthum mit seinem äußerlich kopirenden, gemüth- und gedankenlosen 'Realismus' ist mir nichts weniger als sympathisch. Im übrigen werden wohl die wenigsten Deiner Bekannten in diese Kategorie gehört haben.

Mit H. Grimm eine Lanze zu brechen, habe ich jetzt keine Zeit; auch ist mirs etwas entleidet, mich mit Kunstfragen herumzuschlagen, weil man von den Künstlern, die eine ganz egoistische Bande sind, doch nicht unterstützt wird. Ich laß mich zwar immer wieder von meinem Zorn über die Ungerechtigkeit fangen und habe gegenwärtig wieder einen Strauß wegen des Stuttgarter Kaiserdenkmals, wobei die gewissenlose Jury den besten der eingesandten Entwürfe gar nicht erwähnt und dafür einen von dem hiesigen Prof. (( Denndorf )) herrührenden, unter aller Mittelmäßigkeit stehenden den dritten Preis zuerkannt hat.

Was Deine verschiedenen Wünsche betrifft, so kann ich Dir leider diesmal keine Beihilfe leisten. Beim 'Beobachter' hätte ich freilich so viel Kredit, um einen Korrespondenten dort einzuführen, wenn das Blatt überhaupt bezahlte Korrespondenten hätte. Es ist  k l e i n  und widmet sich hauptsächlich den politischen Fragen Württembergs; alle anderen Materien sind ihm nur Nebensache.

Ebenso ist es jetzt dreißig Jahre her, daß ich mich in Belgien und Brüssel aufhielt; damals stand ich allerdings in Verbindung mit der Indépendance Belge und hatte dort zahlreiche literarische und ästhetische Freunde, aber diese sind seit jener Zeit alle gestorben und verdorben, und heutzutage wüßte ich nicht einen einzigen Menschen dort, an den ich mich wenden könnte. Ich war meiner Lebtage ein gegen die Außenwelt viel zu gleichgiltiger und viel zu unpraktischer Brüter, als daß ich Bekanntschaften gepflegt hätte.

Hoffentlich hat Wichert nicht geglaubt, meine Nachfrage berge eine indirekte Aufforderung; die falsche Nachricht brachte mir der sozialdemokratische Abgeordnete Blos von Berlin mit.

Was meine Gesundheit betrifft, so bin ich zwar immer noch von Husten geplagt. Doch bin ich wieder etwas frischer im Kopf und in Folge dessen wieder etwas besseren Humors. - Meine Schwester wird wahrscheinlich erst Mitte Juli nach Stuttgart kommen. Das es dem Hause Meyer wohlergeht, freut mich recht; meine besten Grüße an sie, wenn Du ihnen schreibst. Grüße auch die Deinen und die Frankfurter Freunde bestens von mir.

Herzlich
         Dein
             L. P...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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