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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 8. 2. 1887
Adressat: Anna Spier


Stuttgart 8/2 87

Liebe Anna!

Mit herzlichem Bedauern habe ich vernommen, daß Dein Papa wieder schlimmer geworden ist und Du Dich wieder nach Frankenthal begeben mußtest ( ... ) Ach! gegen die Naturgesetze gibt es keine Hilfe. Dieselbe Entwicklungskraft, die das Kind zum Manne macht, macht auch den Mann zum Greis, und der erste Schritt ins Leben ist auch der erste Schritt zum Tod. Derselbe Nerv, der uns Schmerzen verursacht, bringt uns auch Freuden, und es gäbe auch keine Genüsse, wenn es keine Schmerzen gäbe ( ... )

Was mich betrifft, so ist mein Leben so ereignißlos, daß es Dlr nicht viel zu berichten gibt. Auf die Wahlreisen gehe ich nicht mit. Ich bin ja kein Redner, und als Statist zu fungiren,
kann ich anderen überlassen. Ich habe nur ein paar Wahlblätter geschrieben, darunter etwas Größeres und einigermaßen ordentlicher gearbeites, und das werd ich Dir schicken,
sobald es mir zugekommen ist. Dasselbe war für Heilbronn, wo es der Partei an den nöthigen publizistischen Kräften fehlt.

In Betreff der Wahlen steht es in Württemberg nicht glänzend. Das Schwabenvolk ist von der ganzen Schieberband so gesamm((…)), daß man sich nächstens seines Namens schämen muß. Ich glaube kaum, daß wir uns auf dem alten Stande erhalten werden; auf Stuttgart wenigstens habe ich keine große Hoffnung. Sie haben den Archemillionär Siegle zum Gegenkandidaten aufgestellt, und die servile Bourgoisie kreist um diese Sonne. Namentlich Deinen Glaubensgenossen oder vielmehr Rassegenossen muß man zu ihrer Schande nachsagen, daß sie größtentheils einfallen. Nun, man thut seine Pflicht, um sich wenigstens mit Ehre aus der Sache zu ziehen.

( ... )

Mit meinen besten Wünschen für Euer Wohlergehen in F. und herzlichen Grüßen
                                                       Dein L. P.


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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