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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 29. 1. 1887
Adressat: B. Schlesinger


Stuttgart, den 29. Jan.1887

Lieber Herr Schlesinger!

Als ich am Freitag Nachmittag zu Ihnen kam, hieß es: heute Mittag abgereist! Ist es auch erlaubt, so meuchlings zu verschwinden? Ich wollte mich noch mit Ihnen besprechen, und dazu die letzte Stunde abwarten, damit Ihnen alles frisch im Gedächniß bleibt, und jetzt sind Sie zum Kuckuck. Bei einem so wuseligen Menschen ist man nie sicher, daß er einem nicht zwischen den Fingern durchschlüpft; ich werde ein anderes mal vorsichtiger verfahren.

Wegen etwaiger neuer Verfahrungsarten in der Heliographie haben wir ja schon öfter mit einander gesprochen, und ich wollte Sie bitten, dieser Sache in Paris Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden, um so mehr, als dies eine Sache ist, die Sie ja selber von Berufs wegen interessirt. Denn ein Kunsthändler muß auch die verschiedenen Verfahrungsarten kennen, um bei einem Bilde zu wissen, auf welche Art es hergestellt wurde, weil das zu Schätzung des kaufmännischen wie des künstlerischen Wertes von Belang ist. Es wird Ihnen daher nicht schwer werden, sich in dieser Beziehung bei Ihren Geschäftsfreunden und sonstigen Leuten vom Fach nachzufragen, welches die Verfahrungsarten sind, die gegenwärtig hauptsächlich angewendet werden, wobei freilich eine etwas genauere Beschreibung der Technik nötig wäre, d. h. so viel, als man zum Verständniß des Vorgangs braucht, ohne deßhalb in etwaige Geschäftsgeheimnisse eindringen zu wollen. Daneben wäre es nicht schwer, sich den gedruckten Bericht über die Photo- und Heliographie auf der Ausstellung von 1878 zu
verschaffen; das ist zwar nicht mehr das neuste, aber wäre doch nützlich. Diese Berichte sind seiner Zeit in Buch- und Broschürenform erschienen. Ohne Zweifel ist auch über die Fortschritte der Heliographie verschiedenes in Zeitschriften geschrieben und in Buchform gesammelt worden. Darüber könnte man wohl etwas am Sitz der Pariser Photographischen Gesellschaft erfahren, in der(((en))) Bureaus ich seiner Zeit verkehrte und daselbst einen sehr gefälligen Sekretär fand. Auch haben Sie ja alle Gelegenheit, sich bei ((Gouzil)) zu erkundigen, ob er die ((Wordburgsehe)) Methode noch anwendet, ob in verbesserter Form; und welcher Art die auf einer Kupferdruck-Presse gedruckte 'Heliogravure' ist, die er jetzt häufig anwendet. ((Gouzil)) gab mir seiner Zeit eine Empfehlung an seinen Geschäftsführer in Asnieres, der damals Rousselet hieß und sehr freundlich und zu jeder Aus kunft
bereit war. Der Eintritt dort steht Ihnen selbstverständlich auch offen, und Sie sollten dort eine eingehende Umschau halten, wie und was dort fabrizirt wird. - Sie könnten ja sagen,
behilfs der neuen Auflage eines Buchs über Heliographie, in welchem er und sein Geschäft in Asnieres rühmend erwähnt wird - was ja auch die Wahrheit ist.

Zugleich möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie die erhaltenen Notizen  s o f o r t  und womöglich, während sie dieselb(((n))) bekommen, in Ihr Notizbuch niederschreiben sollten; denn ich weiß aus Erfahrung, daß man, wenn man solche Dinge nicht schriftlich formulirt, gewöhnlich nur zu einer oberflächlichen Auffassung und ungenügenden Auskunft gelangt, und die Hälfte davon wieder vergißt oder das vielerlei Gehörte im Gedächniß verwirrt.

In der kunstgewerblichen Literatur könnten Sie sich auch ein wenig umsehen und vielleicht einiges mitbringen. Ich denke dabei nicht gerade an reiche Bildwerke, sondern an bescheidene Handbücher von Spezialisten, wie sie in Frankreich herauszukommen pflegen. Nützen Sie halt Ihren Aufenthalt in Paris möglichst aus, nicht nur im Sinne des Geschäfts, sondern auch in  i n t e l l e k t u e l l e r  Richtung, von der ich diesmal auch profitiren möchte - à charge de revanche. - Zu Besuchen bei - wie heißt der verfluchte Weltumsegler? - da fällt mirs endlich ein - Lapeyronte - werden Sie schon noch Zeit finden; wohl auch zu Erneuerung der Bekanntschaft mit einem andern Fleisch als dem gekochten, wozu ich Ihnen beiderseits einen guten Appetit nicht erst zu wünschen brauche. Wenn Sie einen guten Hummer essen, weihen Sie auch einen Schluck edlen Bordeaux dem Angedenken eines
Verständnißinnigen, und lassen Sie sich inzwischen herzlich grüßen von
                                                                                                 Ihrem
                                                                                                         L.Pfau


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - Nr. 27.656 -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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