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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 30. 10. 1886
Adressat: Anna Spier


Stuttgart den 30/10 86

Liebe Anna! Eigentlich wollte ich Dir erst Anfangs der nächsten Woche schreiben: Alle acht Tage einen Brief, habe ich versprochen, und das werd ich halten. Heute aber will ich eine
Ausnahme machen, um Deinem Wunsche nachzukommen und einige Tropfen Beruhigung auf Deine töchterliche Besorgniß zu gießen.

Es scheint mir, daß Du den Zustand Deines Papas etwas zu tragisch auffaßt, was Du überhaupt gern thust, um Dich selbst ein wenig zu quälen, denn ein Zustand gleichmäßiger Ruhe wäre Dir zu altbacken. Solche Beschwerden, wie Dein Vater sie hat, kommen in diesem Alter häufig vor und geben, wenn sie auch langwierig und oft schmerzhaft sind, nicht gleich zu schlimmen Befürchtungen Veranlassung. - Jedenfalls hilfst Du Deinem Vater mit Deinen Selbstquälereien  g a r  n i c h t s ,  sondern vermehrst nur seine Ungemach mit der Besorgniß um Dich. - Von mir gar nicht zu reden, der ich zwar gottlob nicht krank, aber doch beunruhigt bin, wenn ich Dich in schmerzlichem Gezappel weiß. Also beruhige Dich, sei ein vernünftiges »Mädle« und sieh nicht gleich alles schwarz.

Um auf unsere Correspondenz zurückzukommen, so ist mir die Deine selbstverständlich je öfter je lieber, aber es wäre mir doch erfreulich, an einem bestimmten Tage einen Brief erwarten zu können. Sei deshalb so lieb und schreib mir jeden Samstag so, daß ich am Sonntag Deinen Brief erhalte - das ist dann mein Sonntagsvergnügen. Ich schreib Dir dann jeden Dienstag, so daß Du Mittwoch morgens den Brief bekommst. Man wartet viel leichter, wenn man auf ein bestimmtes Ziel blicken kann.

Was mich betrifft, so hocke ich an meinem Tisch und flicke meine »Maler und Bilder« zusammen. Mit den Belgiern und Altdeutschen bin ich fertig, die Neudeutschen und besonders die Franzosen werden mich wohl noch bis Ende dieses Jahres hinhalten. Dazwischen hinein steigt aber immer ein orientalisches Bild vor mir auf, das zvvar nicht gemalt, aber nur desto eigensinniger ist und nicht vom Fleck will. Die andern Bilder aber sind eifersüchtig und schneiden ihm Grimassen. Ich habe oft alle Mühe, die Ruhe wieder herzustellen unter dem Gesindel.

          »Wenn du eine Hexe· schaust,
          Sag, ich lass sie grüßen.«

Gestern machte mir Isolde Kurz, Tochter meines verstorbenen Freundes Hermann Kurz, einen Besuch. Sie wohnt in Florenz und wird während ihres hiesigen Aufenthalts wohl auch ein paar Tage nach Frankfurt gehen. Ich werde sie dann auch zu Dir und zu Gretel schicken. Sie ist ein begabtes Mädchen, macht sehr hübsche Gedichte und schreibt einen vortrefflichen Stiefel. Von ihren Sachen habe ich aber erst zu wenig gelesen, um ein Urtheil über ihre ((Prosaschriften)) zu haben. Es will mir fast scheinen, ihr Talent sei mehr formeller als materieller Natur.

Was macht Gretchen? Herzliche Grüße an sie, Deinen Mann und Kinder.

Wie immer
               Dein L. P.

Daß Du mich dasmal nicht bis zum nächsten Sonntag warten lassen darfst, wirst Du auch ohne P.S. begreifen.


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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